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Primitiv neuroektodermaler Tumor



Als Primitiver neuroektodermaler Tumor (Abkürzung: PNET; englisch: primitive neuroectodermal tumor) wird ein Hirntumor aus Gruppe der embryonalen Tumoren bezeichnet. Als bösartige Tumoren werden PNET nach der Klassifikation der Hirntumoren der WHO als Grad IV eingeordnet. PNET treten vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen auf. Es wird zwischen einer im Gehirn und Zentralnervensystem vorkommenden Variante und einer im restlichen Körper außerhalb des Zentralnervensystems vorkommenden peripheren Variante unterschieden.

Inhaltsverzeichnis

Varianten

PNET des Zentralnervensystems (ZNS-PNET). Die Erstbeschreibung eines PNET des Zentralnervensystems erfolgte 1973 durch Hart und Earle. Gegenstand ihrer Untersuchungen waren undifferenzierte Tumoren der Großhirnhälften (Hemisphären) oberhalb des Kleinhirndachs (Tentorium cerebelli): diese Beobachtung führte zu der gebräuchlichen Bezeichnung supratentorielle PNET (ST-PNET). Die PNET des Zentralnervensystems weisen auf feingeweblicher (histologischer) Basis deutliche Ähnlichkeiten zu Medulloblastomen, Pinealoblastomen und anderen Tumorarten auf. Einige Untersucher haben diese Ähnlichkeit zum Anlass genommen, die PNET als zusammenfassende Gruppe von embryonalen Tumoren des Zentralnervensystems zu definieren: diese Auffassung ist aber umstritten.

2,5-6% aller Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter werden zu den PNET des Zentralnervensystems gerechnet. Werden die Medulloblastome mit den PNET zu einer Gruppe zusammengefasst (wie vorbeschrieben umstritten), so stellt diese kombinierte Gruppe 20% der Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter dar.

Periphere PNET (pPNET). Periphere PNET sind Tumoren, die ihren Ursprung aus ektodermal abgeleiteten Körperteilen nehmen. Hierzu gehören vor allem das autonome Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus). Periphere PNET kommen typischerweise im Bereich der Brustwand (Thoraxwand) vor: sie werden dann als Askin-Tumoren bezeichnet. Auch andere Lokalisationen sind bekannt: Nieren, Lunge, Gebärmutter, Eierstock, Hoden, Bauchspeicheldrüse, Harnblase, Ohrspeicheldrüse, Haut und Unterhautfettgewebe sind im Zusammenhang mit peripheren PNET als Lokalisation beschrieben worden.

Die Abgrenzung von peripheren PNET zu Ewing-Sarkomen ist nicht leicht: einige Untersucher sehen das Ewing-Sarkom als Untergruppe des peripheren PNET.

Symptome

Die Symptome leiten sich vor allem aus der Lage (Lokalisation) des PNET her. PNET des Zentralnervensystems werden durch Symptome wie Übelkeit und Erbrechen (vor allem nüchtern und morgens) auffällig. Zu dem können Verluste von Fertigkeiten auftreten (Lähmungen, Sehstörungen, Persönlichkeitsveränderungen), die durch neurologische Ausfälle (Verlust von Nervenfunktionen) erklärt werden. Periphere PNET können je nach Lage zunächst nur als Schwellung auffallen. Bei einer Lage im Inneren des Körpers (beispielsweise Lunge) treten Atemnot oder Bluthusten auf. Periphere PNET der Eierstöcke, der Bauchspeicheldrüse und der Gebärmutter werden zunächst durch Bauchschmerzen bemerkbar.

Diagnostik

Die richtungsweisende Diagnostik erfolgt zumeist über eine feingewebliche (histologische) Untersuchung nach Probeentnahme (Biopsie) oder Entfernung des PNET (Resektion durch Operation). Letztere kann insbesondere bei PNET im Zentralnervensystem nur teilweise oder gar nicht möglich sein.

Vor der Probeentnahme oder Operation erfolgt der Einsatz bildgebender Verfahren wie Ultraschall (Sonographie), Computertomographie und Magnetresonanztomographie. All diesen Verfahren ist gemein, dass sie Auskunft über die Ausdehnung und Ausbreitung des PNET geben können. Eine sichere Diagnose eines PNET allein über bildgebende Verfahren ist nicht möglich.

Therapie

Zunächst sollte - wenn möglich - eine operative Entfernung oder mindestens eine Probeentnahme zur Diagnosesicherung versucht werden. Dies ist insbesondere bei den peripheren PNET der Fall. Im Anschluss an die Probeentnahme oder Operation erfolgt im Kindes- und Jugendalter immer eine Polychemotherapie unter Kombination verschiedener Zytostatika. Auch die Strahlentherapie kommt zum Einsatz.

Bei PNET, welche als Hochrisiko-PNET klassifiziert werden oder die nur unzureichend auf die primäre Behandlung ansprechen, wird zumeist eine Hochdosischemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation vorgenommen.

Prognose

Die Prognose der PNET ist in Abhängigkeit von ihrer Lage, der Operabilität und des Alters der Patienten sehr unterschiedlich. Im Mittel über alle Betroffenen ist die Prognose eines PNET als durchschnittlich einzuordnen.

Modell

Alle für PNETs beim Menschen typischen histologischen Veränderungen konnten in einem Nagetiermodell zellbiologisch reproduziert werden. Durch den Transfer des sog. "Large T-Antigens", einem Onkogen aus dem Affenvirus SV40, konnte der deutsche Molekularbiologe und Biophysiker Robert Eibl neben neuen Zelllinien auch ein Modell erstellen, das mikroskopisch praktisch nicht unterscheidbar von PNETs beim Menschen ist. Umstritten gilt bis heute die These, dass vor Jahrzehnten menschliche Impfstoffe mit dem Affenvirus SV40 - und damit mit dem Large T-Antigen - kontaminiert waren und dadurch vereinzelt auch beim Menschen Hirntumore erzeugt haben könnten. Vom large T-Antigen ist bekannt, daß es verschiedene regulatorische Proteine bindet und dadurch inaktiviert, neben dem Retinoblasom-Genprodukt (RB) u.a. auch das P53-Protein. Molekulargenetisch konnte aber dieser bei den meisten anderen Hirntumoren (Astrozytome, Glioblastome) sehr häufige Mechanismus der p53-Inaktivierung für die Medulloblastomen mit nur 10% von R. Eibl als eher selten ausgeschlossen werden, so daß die anderen Bindungspartner des SV40 Large T-Antigen heute eine entsprechend größere Rolle für künftige therapeutische Ansätze spielen müssten.

Referenzen

  • Eibl RH, Kleihues P, Jat PS, Wiestler OD (1994) A model for primitive neuroectodermal tumors in transgenic neural transplants harboring the SV40 large T antigen. Am J Pathol. 1994 Mar;144(3):556-64.
  • von Deimling A, Eibl RH, Ohgaki H, Louis DN, von Ammon K, Petersen I, Kleihues P, Chung RY, Wiestler OD, Seizinger BR: p53 mutations are associated with 17p allelic loss in grade II and grade III astrocytoma. Cancer Res (1992) 52:2987-90
  • Ohgaki H, Eibl RH, Wiestler OD, Yasargil MG, Newcomb EW, Kleihues P: p53 mutations in nonastrocytic human brain tumors. Cancer Res (1991) 51:6202-5
 
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