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Konzept des Kleinen Raumes



Das Konzept des Kleinen Raumes wurde 1980 von der dänischen Blindenpädagogin Lilli Nielsen entwickelt. Der Sinn des Kleinen Raumes bestand ursprünglich darin, (geburts-)blinden Kindern, die in der Literatur oft als motorisch passiv beschrieben werden, später auch geistig, motorisch und mehrfach behinderten Kindern, die Möglichkeit zu geben, räumliche Beziehungen zu entwickeln.

Die schweizerische Psychologin und Therapeutin Felicie Affolter arbeitete heraus, dass Kinder sowohl bei der Entdeckung als auch bei der "Sich-Selbst-Abgrenzung" von ihrer Umwelt immer wieder Situationen aufsuchen, in denen sie die Abgrenzung des eigenen Körpers von ihrer Umgebung erleben (ähnlich dem sicheren Zustand eines Kindes im Mutterleib).

Das Wahrnehmen von räumlichen Beziehungen und das sich daraus entwickelnde Wirken innerhalb der Umwelt, wird im Sprachgebrauch auch als "in Kontakt mit etwas treten" beschrieben. Der Wortteil "kon" heißt übersetzt "mit", während "takt" das "spüren" beschreibt; also Mitspüren . Indem das Kind etwas spürt, was sich außerhalb seines Körpers befindet, erhält es die Erkenntnis, dass es noch etwas anderes gibt als nur das eigene Ich – die Welt, seine Um-welt.

Lilli Nielsen entdeckte, dass insbesondere sehbeeinträchtigten Kindern diese Erfahrung einer Welt außerhalb des eigenen Körpers durch die fehlende Möglichkeit des Fixierens und gezielten Greifens von Gegenständen oft verwehrt bleibt. Um dies den Kindern zu ermöglichen entwickelte Nielsen den Kleinen Raum.

Der Kleine Raum ist im Wesentlichen ein Kasten aus zusammengefügten Platten (Elementen). Die Decke besteht aus Plexiglas, die Wände sind aus Holz mit unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit. Er ist mit verschiedenen Gegenständen, welche in ihren Eigenschaften auf das jeweilige Kind abgestimmt sind und verschiedene Sinne ansprechen, ausgestattet. Der Kasten wird über das liegende oder sitzende Kind gekippt. Die Gegenstände sind so angebracht, dass das Kind sie alle gut mit Händen oder Füßen erreichen kann. Sie sind an elastischen Fäden aufgehängt, sodass das Kind sie zu sich heranziehen kann. Lässt es los, so kehrt jeder Gegenstand an seinen ursprünglichen Platz zurück, wodurch das Kind Objektpermanenz (d.h. ein Bewusstsein darüber, dass Dinge auch weiterhin existieren, wenn sie aus dem Blickfeld geraten) erfährt.

Sobald sich das Kind im Inneren des Kleinen Raumes befindet, werden die Geräusche außerhalb absorbiert, was bedeutet, dass das Kind nur die gegenstandsbezogenen Geräusche wahrnehmen kann und auch keine Einmischung von außen erfolgt. Hierdurch wird es dem Kind möglich, mit Hilfe unterschiedlichster Experimente im Bereich der Sinneswahrnehmung (taktil, auditiv, ki-nästhetisch, d.h. über tasten, hören und kontrollierte Bewegungen einzelner Körperteile) Objekt-Permanenz, sowie eine Vorstellung von Raum-Lage-Beziehungen zu entwickeln. Folglich nimmt das Kind die Welt außerhalb seines eigenen Körpers wahr und erkennt seine aktive Wirkung auf diese Welt, was grundlegend für die Selbstwahrnehmung und somit die Identitätsbildung ist.

Bei einer Untersuchung von 1985 wurde eine signifikante Aktivitätszunahme der Kinder, die durch den Kleinen Raum gefördert wurden, nachgewiesen. An dieser Studie nahmen nicht nur blinde, sondern auch blind-geistig behinderte, sowie schwer mehrfach behinderte Kinder teil. Auch diese Kinder zeigten hier deutlich erhöhte Aktivität in der Auseinandersetzung mit den Gegenständen und wurden u.a. zu verstärktem Lautieren angeregt. So fand das Konzept Eingang in die Frühförderung bei geistig und mehrfach behinderten Kindern.


Literatur:

  • Lilli Nielsen: Das Ich und der Raum: Aktives Lernen im Kleinen Raum (1993) ISBN 3-925265-44-9
  • Felicie Affolter: Wahrnehumg, Wirklichkeit und Sprache. (1987) ISBN 3-7883-0255-0
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Konzept_des_Kleinen_Raumes aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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