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Jakob Ruf



Jakob Ruf (* 1505 in Konstanz, † 1558 in Zürich) war ein schweizerischer Chirurg und Schriftsteller deutscher Abstammung.

 

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jakob Ruf wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Konstanz auf. In jungen Jahren trat er ins Kloster Chur ein. Die Reformation veranlasste Ruf, um 1526 aus dem Kloster auszutreten. Er machte eine Scherermeister-Ausbildung in Konstanz und Lindau und wurde Spezialist im Operieren von Leisten- und Hodenbrüchen und Blasensteinen. Nach dem Tode seines Vorgängers in der Schlacht bei Kappel bewarb sich Ruf beim Zürcher Rat, der ihn 1532 als städtischen Chirurg (Stadtschnittarzt) anstellte und als Stadtbürger aufnahm. Ab 1535 verkehrte Ruf als „Stubenhitzer“ (er entrichtete ein jährliches Heizgeld) in der Trinkstube der angesehenen Constaffel Zunft im Zunfthaus zum Rüden. 1539 trat er dem „Schwarzen Garten“ bei, der Untersektion für Bader und Scherer innerhalb der Schmidenzunft.

1547 wurde Ruf von Heinrich Bullinger verdächtigt, bei den konfessionellen Spannungen (Schmalkaldischer Krieg) in Süddeutschland den Reformierten zu helfen. Zürich konnte seinen reformierten Glaubensbrüdern nicht beistehen, weil es nach der Niederlage bei Kappel keine weitere Auseinandersetzung mit der katholischen Innerschweiz riskieren wollte. Nach der Niederlage gegen Habsburg wurde Konstanz wieder katholisch. Ruf schrieb sein Konstanzerlied. 1552 wurde Ruf als Handwerkschirurg vom Zürcher Rat zum interimistischen Stadtarzt ernannt, weil kein an einer Universität ausgebildeter Arzt zur Verfügung stand. Zu seinen Pflichten gehörten die Behandlung der inneren Krankheiten und die Aufsicht über die Hebammen in Zürich. Sein berühmtes Hebammenlehrbuch „Trostbüchlein“ entstand in dieser Zeit. 1554 wurde er von Konrad Gessner abgelöst. Jakob Ruf bewohnte die Häuser Dammhirschli und Stelzlein (heute Neumarkt Nr. 24 und 28) und besass eine Wiese in Fluntern.

Jakob Rufs Name wurde in der bisherigen Forschung sehr unterschiedlich geschrieben (Jacob Rueff, Jacob Ruof etc.). Dies erschwerte die Identifikation erheblich. Deshalb führt die Zürcher Forschergruppe, die unter der Leitung von Hildegard Elisabeth Keller das Gesamtwerk zum ersten Mal ediert, die modernisierte Schreibung Jakob Ruf ein. Die fünfbändige Reihe "Jakob Ruf. Leben, Werk und Studien" wird im Frühjahr 2008 geschlossen vorliegen.

Werk

Neben seiner medizinischen Tätigkeit war Ruf schriftstellerisch tätig. Er schrieb wichtige medizinische Handbücher über Geburtshilfe usw., deutete aussergewöhnliche Erscheinungen, verfasste Flugblätter und Lieder sowie eine Reihe von Theaterstücken mit religiös-volkserzieherischem und politischem Charakter.

Stadtchirurg und medizinischer Schriftsteller

Rufs Schriften widerspiegeln die Aufbruchstimmung in der Medizin zur Reformationszeit. Er vermittelte neues anatomisches Wissen und spezialisiertes chirurgisches Handwerk für interessierte städtische Laien.

  • 1544/45 erstellte er ein Ärzte – und Astrologenverzeichnis mit 450 berühmten Namen seit der Antike.
  • Die Handschrift über Augenheilkunde Practica in Arte Ophtalmica Copiosa entstand 1545. Sie gibt interessante Einblicke in den Wissensstand der Augenheilkunde im 16. Jahrhundert.
  • 1554 wurde das Trostbüchlein, ein Hebammenlehrbuch, in deutsch für Hebammen und lateinisch für Ärzte und Gelehrte gedruckt.
  • 1556 erschien das Tumorbüchlein.

Theatermacher und Regisseur

Die alle paar Jahre stattfindenden Theateraufführungen waren ein gesellschaftlicher Grossanlass, an dem fast alle der damals 5'000 Stadtzürcher teilnahmen. Aus den benachbarten eidgenössischen Städten wurden Gäste eingeladen. Das Theaterspiel wurde von Laien unter freiem Himmel auf dem Münsterhof neben dem Fraumünster gespielt und dauerte ein bis zwei Tage. Diese Volksvorführungen dienten als Massenmedien für die kollektive Konsensbildung der Stadtbevölkerung und die Sozialisation der Jungen.

  • 1538 entstand Rufs Theaterstück Etter Heini, das wegen seiner Polemik gegen Katholizismus und Reislaufen erst 1978 uraufgeführt wurde.
  • Am Pfingstmontag 1539 gelangte sein erstes Theaterstück Weingarten zur Aufführung.
  • Ein vor 1545 entstandenes Spiel von der keuschen Paulina ist nicht erhalten.
  • Das protestantische Passionspiel von 1545 über die Leidensgeschichte Christi wurde möglicherweise nie aufgeführt.
  • Rufs Theater Wilhelm Tell wurde 1545 mit grossem Erfolg aufgeführt und publiziert.
  • Das Lied von Frau Schwätzerin entstand nach 1545.
  • Sein aufwändigstes Theater, Adam und Eva, wurde 1550 aufgeführt und gedruckt.

Volksaufklärer und Prognostiker

Im 16. Jahrhundert war die Bevölkerung bestrebt, nach dem göttlichen Willen zu leben. Dieser offenbarte sich nach dem damaligen Glauben durch aussergewöhnliche Erscheinungen wie Missgeburten, bestimmte Himmelskonstellationen, Teufelserscheinungen usw. Aufgrund seiner medizinischen und astrologischen Kenntnisse war Ruf prädestiniert, solche Erscheinungen zu interpretieren und der Bevölkerung entsprechende Handlungsanweisungen zu geben.

  • Im Jahr 1543 verfasste Ruf gleich mehrere solcher Schriften: Er erklärte und deutete in einem Flugblatt die Schaffhauser Missgeburt. Die astrologische Prognostik war eine Wetter-, Gesundheits- und Schicksalsvorhersage. In seinen Jahreskalendern konnte man die astrologisch berechneten, günstigsten Tage für Säen, Aderlass und Haareschneiden sowie Vorhersagen über Wetter, Krankheiten und politische Ereignisse nachschlagen.
  • 1544 erschienen die Flugblätter über eine Monderscheinung in Wil und eine Glarner Nebensonnenerscheinung.
  • Die 1555 erschienenen Fisch-Sprüche enthielten diätetische Informationen über verschiedene Fischsorten.

Literatur

  • Hildegard Elisabeth Keller (Hg.) unter Mitarbeit von Andrea Kauer und Stefan Schöbi, Jakob Ruf, ein Zürcher Stadtchirurg und Theatermacher im 16. Jahrhundert, Chronos-Verlag, Zürich 2006, ISBN 3-0340-0767-1
  • Melchior Dürst, Das Urner Spiel vom Wilhelm Tell, Volksverlag, Elgg (Kt. Zch.) 1946
  • Robert Wildhaber, Jakob Ruf , St. Gallen, 1929
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Jakob_Ruf aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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