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Verwahrlosung



Eine Person, ein Tier oder eine Sache gilt als verwahrlost, wenn es die Erwartungen, die die Gesellschaft an ihn oder es stellt, nicht oder nicht mehr erfüllt.

Die Auslegung ist dabei sehr subjektiv, kann aber auch sehr eng gefasst werden. Der Begriff ist soziologisch, zunehmend auch ökonomisch determiniert.

Verwahrloste Menschen verhalten sich nicht normgerecht, wirken, als hätten sie keine Kontrolle mehr über sich, halten die Gesetze nicht ein oder missachten Staatsbürgerpflichten. So gelten in einigen Ländern Nicht-Wähler schon als verwahrlost. In Deutschland galten bis in die 70er Jahre Jugendliche mit langem Haarschnitt oder roten T-Shirts bereits als verwahrlost. Nach der derzeitigen Bundesstatistik gelten Obdachlose, Langzeitarbeitslose, Personen ohne Ausbildung oder Bettler als verwahrlost, wenn mindestens eine zusätzliche Bedingung hinzutritt, wie Alkoholabhängigkeit oder Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen oder Religionen oder Strafauffälligkeit. In einigen US-Bundesstaaten, z.B. in Florida, gelten Straftäter ohne zusätzliche Bedingung als verwahrlost und verlieren damit ihre Staatsbürgerrechte.

Urbanistik und Politologie

Wissenschaftlich beschäftigen sich hauptsächlich die Urbanistik und die Politologie mit dem Phänomen. Danach gelten Städte oder Teile von Städten als verwahrlost, wenn sie chaotisch werden, d. h. sich den entropischen Gesetzen entsprechend entwickelt haben und von der Umgebung nicht mehr geordnet werden können. Die sich zwangsläufig daraus entwickelnden neuen Strukturen sind Individualisierung und Abgrenzung und daraus abgeleitete Anonymität, die in den Großstädten als sog. Brennpunkte der Verwahrlosung bezeichnet werden. Die Bekämpfung der Verwahrlosung durch Ordnungsmittel gelingt nicht, bzw. führte bisher nur zu umso schnellerer Verwahrlosung, die die Ordnungsmittel sogar selbst mit einschlossen.

Psychologie und Psychiatrie

In der Psychologie und Psychiatrie wird der Verwahrlosungs-Begriff enger gefasst. Verwahrlosung ist dort nicht jede, sondern nur generalisierte und persistente Dissozialität (allgemeines, fortgesetztes Sozialversagen) (vgl. z. B. Klaus Hartmann, 1977). Nach einschlägigen empirischen Untersuchungen kommen als Ursachen besonders Vernachlässigung und Misshandlung in der frühen Kindheit in Betracht. Neueste neuropsychologische Forschungsergebnisse lassen psychotraumatisch erzeugte hirnorganische Schädigungen vermuten (vgl. www.agsp.de). Diese Form der Dissozialität erweist sich als ziemlich therapieresistent. Deshalb werden (sekundär-)präventive Maßnahmen empfohlen (z. B. bei nicht beratungsfähigen Eltern rechtzeitige Vermittlung in heilpädagogische Pflegefamilien).

Daneben gibt es den Begriff der Wohlstandsverwahrlosung (auch: Luxusverwahrlosung). Dieser Begriff beschreibt Kinder und Jugendliche, denen es an persönlicher Zuneigung und Zuwendung der Eltern fehlt. Die Eltern versuchen die fehlende Zeit für die Erziehung der Kinder oft durch vermehrte materielle Zuwendungen auszugleichen. Die Kinder leiden unter zunehmender Vereinsamung, sind oft nur auf sich selbst gestellt, verlieren jedes Gemeinschaftsgefühl.

Eine besondere Form der Verwahrlosung ist die Anstaltsverwahrlosung, das heißt die Vernachlässigung und Vereinsamung von Kindern, Alten, Behinderten, Kranken und Schwachen in Institutionen (Frühverwahrlosung, Hospitalismus, Deprivation, anaklitische Depression). Der Mangel an ausgebildetem Personal und der Zeitmangel bei der Betreuung in Heimen, Krankenhäusern und Anstalten führt regelmäßig zu Deprivations- und Frustrationserscheinungen bei den Patienten.

Wissenschaftliche Untersuchungen betrachten die Verwahrlosung als eines der größten Probleme der Zukunft.

Siehe auch

  • Verwöhn-Verwahrlosung
  • Sexuelle Verwahrlosung
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Verwahrlosung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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