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Rahel Straus



  Rahel Straus, geborene Goitein (* 21. März 1880 in Karlsruhe; † 15. Mai 1963 in Jerusalem) studierte ab Mai 1900 als erste Frau an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg. Sie wurde Ärztin und engagierte sich als Sozialarbeiterin, Frauenrechtlerin und Zionistin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als viertes Kind des orthodoxen Rabbiners Dr. Gabor Goitein und der Volksschullehrerin Ida, geborene Löwenfeld, wuchs Rahel Goitein in Karlsruhe auf. Ihr Vater starb bereits 1882. Bis 1893 besuchte Rahel die Höhere Mädchenschule, danach das erste deutsche Mädchengymnasium in Karlsruhe (das heutige Lessing-Gymnasium), wo sie 1899 Abitur machte. Dort hielt sie die erste Abiturrede einer jungen Frau in Deutschland, in der sie u.a. die Bildungschancen für Frauen thematisierte[1]. Rahels Onkel Raphael Löwenfeld unterstützte ihren Bildungsdrang finanziell. Trotz der ablehnenden Haltung einiger Professoren[2] schrieb sie sich als erste Medizinstudentin[3] an der Universität Heidelberg ein. Ab dem Wintersemester 1901/1902 war sie, zeitweilig auch als Vorsitzende, mit von der Partie in der Vereinigung studierender Frauen in Heidelberg, in Abgrenzung z.B. zur schlagenden jüdischen Studentenverbindung Badenia[4].

1902 bestand sie das Physikum, außer in Botanik durchweg mit „sehr gut“, 1905 das Staatsexamen mit Erfolg. 1907 folgte die Promotion zum Dr. med. mit einer kurzen Dissertation über das Chorionkarzinom.

1905 heiratete sie den ebenfalls aus Karlsruhe stammenden, promovierten Juristen Elias Straus, genannt „Eli“, Sohn eines Bankiers. Eine gemeinsame Reise 1907 führte sie nach Palästina. Trotz ihres ehelichen Status brach Rahel Straus, damals sehr ungewöhnlich, ihren beruflichen Weg nicht ab, sondern absolvierte die Medizinalassistenzzeit. 1908 eröffnete sie in München eine gynäkologische Praxis. Damit war sie die erste niedergelassene Ärztin, die an einer deutschen Universität ausgebildet worden war[5].

In München kamen ihre fünf Kinder zur Welt: Isa (* 1909, später Volkswirtschaftlerin), Hannah (* 1912, später Lehrerin und Psychologin), Samuel Friedrich (* 1914, später Landwirt in Israel, US-Beamter), Gabriele (* 1915, später Kinderpsychologin) und Ernst Gabor (* 1922, später Mathematikprofessor in Los Angeles).

Nicht erst seit dem Tod ihres einzigen Bruders Ernst Goitein im 1. Weltkrieg hinterfragte Rahel Straus die als blind empfundene Kaisertreue und Loyalität weiter jüdischer Kreise zur deutschen Kriegspolitik, vor allem in Vorträgen, was nicht im Widerspruch stand zu ihrer unverbrüchlichen Zuneigung zu Deutschen und ihrer Kultur.

Als Ärztin kämpfte Rahel Straus aus einer feministischen Perspektive für die Abschaffung des § 218, engagierte sich in sozialen und pädagogischen Fragen und war Vorsitzende des Verbands jüdischer Frauen für Palästinaarbeit sowie Mitglied in der Women's International Zionist Organisation (WIZO). 1918 beteiligte sie sich in einigen Gremien der Münchner Räterepublik.

1932 übernahm sie auf Bitten Bertha Pappenheims eine führende Rolle im Jüdischen Frauenbund, eigentlich einer antizionistischen Organisation, was als ein Indiz für ihr politisches und diplomatisches Geschick und hohes gesellschaftliches Ansehen gelten mag. Der Frauenbund half u. a. Müttern mit unehelichen Kindern und Opfern des Frauenhandels.

1933 starb Ehemann Eli Straus an Krebs; im selben Jahr emigrierte Rahel Straus mit zwei Kindern im Schulalter nach Palästina, wo sie eine entbehrungsreiche Anfangszeit durchmachten. Rahel Straus arbeitete weiter als Ärztin und Sozialarbeiterin und gründete 1952 die israelische Gruppe der Women’s International League for Peace and Freedom, deren Ehrenpräsidentin sie bis zu ihrem Tod 1963 blieb. Sie ist auf dem Friedhof Sanhedria in Jerusalem begraben. Das Leo Baeck Institut in New York verwahrt ihren Nachlass.

Eins ihrer sozialen Projekte, die Behindertenförderung AKIM-Jerusalem besteht noch heute[6] und führt dort eine Ausbildungsstätte namens Beth Rahel Straus.

Die Städte München und Karlsruhe haben eine Rahel-Straus-Straße nach ihrer ehemaligen Bürgerin benannt.

Siehe auch

  • Frauenstudium

Werke

  • Rahel Straus: Wir lebten in Deutschland. Erinnerungen e. dt. Jüdin, 1880 - 1933. DVA, Stuttgart 1961
  • Rahel Straus-Goitein: Ein Fall von Chorionepitheliom. Diss. med. München. B. Heller, München 1907. (33 S.)

Literatur

  • Wolfgang U. Eckart: „Zunächst jedoch nur versuchs- und probeweise“ – Vor 100 Jahren: Die ersten Medizinstudentinnen beziehen die Universität Heidelberg. In: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 1999. 4. Jg., Heidelberg 1999, S. 77-98. (Online-Version)
  • Christiane Schmelzkopf: Rahel Straus. In: Juden in Karlsruhe : Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung. Hrsg. von Heinz Schmitt, Badenia-Verlag, Karlsruhe 1988, S. 471-480, (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs, Bd. 8) ISBN 3-7617-0268-X
  • Literatur von und über Rahel Straus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Matrikel der Universität Heidelberg
  • Kurzbiografie
  • Artikel über Ehepaar Straus
  • Doku: Ärztinnen im Kaiserreich

Anmerkungen

  1. Schmelzkopf 1988, S. 474
  2. So z.B. der Gynäkologe Prof. Ferdinand Adolf Kehrer: „Warum Kindchen, wollen Sie eigentlich Medizin studieren? Sie wissen ja gar nicht, welche Riesenanforderungen es an Körper und Seele, an Kopf und Herz stellt. [...] Rein körperlich werden Sie es schon nicht aushalten.“ (zit. nach Rahel Straus: Wir lebten in Deutschland, Stuttgart 1961, S. 88)
  3. Schmelzkopf 1988, S. 474 nennt sie „erste Medizinstudentin Heidelbergs und auch Deutschlands“; letzteres ist jedoch zweifelhaft
  4. vgl. Rahel Straus: Wir lebten in Deutschland, Stuttgart 1961, S. 93
  5. Schmelzkopf 1988, S. 475
  6. Schmelzkopf 1988, S. 479
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Rahel_Straus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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