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Schwefelwasserstoff



Strukturformel
Allgemeines
Name Schwefelwasserstoff
Andere Namen
  • Wasserstoffsulfid
  • Dihydrogensulfid
  • Martinswasser
  • Sauergas
  • Sulfan
Summenformel H2S
CAS-Nummer 7783-06-4
Kurzbeschreibung farbloses, nach faulen Eiern riechendes Gas
Eigenschaften
Molare Masse 34,08 g·mol−1
Aggregatzustand gasförmig
Dichte 1,5359 kg·m−3 (0 °C)[1]
Schmelzpunkt −85,7 °C[1]
Siedepunkt −60,20 °C[1]
Dampfdruck

18,190 bar (20 °C)[1]

Löslichkeit

Wasser (0 °C, 1 bar): 4,65 l/l[1]
wenig in org. Lösungsmitteln

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I
Hochentzündlich
F+
Hochent-
zündlich
Umweltgefährlich
N
Umwelt-
gefährlich
R- und S-Sätze R: 12-26-50
S: (1/2-)9-16-36-38-45-61
MAK

5 ml·m−3[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Schwefelwasserstoff (Wasserstoffsulfid, Dihydrogensulfid*) ist ein übel riechendes, stark giftiges Gas. Es ist eine Verbindung aus Schwefel und Wasserstoff mit der chemischen Formel H2S. Schwefelwasserstoff verursacht schon in extrem geringen Mengen den typischen Geruch von faulen Eiern, der bei der Zersetzung von Proteinen aus schwefelhaltigen Aminosäuren durch Fäulnis- und Schwefelbakterien entsteht.

Schwefelwasserstoff ist brennbar, farblos und in Wasser wenig, in Alkohol etwas besser löslich. Er ist eine schwache Säure, deren Salze die Sulfide und Hydrogensulfide sind.

*Nicht zu verwechseln mit dem Hydrogensulfid-Anion HS, welches oft auch „Hydrogensulfid“ genannt wird (siehe Sulfide).

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

In der Natur kommt Schwefelwasserstoff als sehr variabler Bestandteil (Spuren bis zu 80 Vol-%) von Erdgas und im Erdöl, als vulkanisches Gas und in Quellwasser gelöst vor. Es entsteht außerdem bei Fäulnis- und Zersetzungsprozessen durch den Abbau von Biomasse (z. B. Tierkadaver, Zersetzung der Laubstreu, Faulschlammbildung am Grund eutropher Seen usw.), Mülldeponien, Abwasserhochdruckleitungen oder bei Verdauungsvorgängen im Darm, den es mit dem Flatus verlässt. Im Volksmund wird der Schwefelwasserstoff daher auch häufig als „Martinswasser“ bezeichnet.

Gewinnung und Darstellung

Schwefelwasserstoff lässt sich im Labormaßstab herstellen, indem man Salzsäure auf Eisensulfid tropft.

\mathrm{FeS + 2\ HCl \rightarrow FeCl_2 + H_2S}
Aus Eisensulfid und Salzsäure entsteht Eisen(II)-chlorid und Schwefelwasserstoff.

In der Petrochemie (Raffinerien) fällt Schwefelwasserstoff in großen Mengen bei der Hydrodesulfurierung von Erdöl an.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

  • kritische Temperatur: 100,4 °C
  • kritischer Druck: 90,1 bar

Thermodynamik:

ΔfH0g : −20,5 kJ/mol

S0g, 1 bar: 205,77 J/(mol·K)

In 1 l Wasser lösen sich bei Raumtemperatur bis zu 2,582 l Schwefelwasserstoffgas.

Chemische Eigenschaften

Mit einem pKs-Wert von 7,05 ist Schwefelwasserstoffsäure – ähnlich wie schweflige Säure – eine recht schwache Säure. Die wässrige Lösung reagiert mit vielen Schwermetallsalzen zu unlöslichen Sulfiden, was man sich im Kationentrenngang zunutze macht. Entsprechend wird das Gas mit Bleiacetatpapier nachgewiesen, da es mit Blei(II)-Ionen zu schwarzem Bleisulfid (PbS) reagiert. Ebenso reagiert es mit Eisen(II)-Ionen zu schwarzen Eisensulfid (FeS).

Die obige Reaktion zur Gewinnung ist auch umkehrbar. Bei natürlichen Bedingungen (pH 5–10) kann man Schwefelwasserstoff in wässriger Lösung mit Eisen(II)-chlorid zu Eisensulfid binden.

\mathrm{H_2S + FeCl_2 \longrightarrow FeS + 2 \ HCl}

Dies ist bei Biogas, Faulgas und im Abwasserkanal gängige Praxis. Man macht sich die große Affinität von Eisen zu Schwefel zunutze, um Biogas und Faulgas zu reinigen. Hier würde bei der weiteren Verwendung in Gasmotoren das nach der Verbrennung entstehende Schwefeldioxid erhebliche Korrosionsprobleme verursachen.

Schwefelwasserstoff verbrennt bei Luftzufuhr mit blauer Flamme zu SO2 und Wasser, wobei unter anderem schweflige Säure (H2SO3) entsteht. Aus der wässrigen Lösung scheidet sich bei Luftzufuhr allmählich Schwefel ab.

Mit Schwefeldioxidgas komproportioniert es in Anwesenheit von Wasserdampf zu Schwefel und Wasser (Rauchgasentschwefelung, Redoxreaktion), mit Chlorgas bildet sich Schwefel und Chlorwasserstoffgas (Salzsäure) und bei Verbrennung in Sauerstoff Schwefeldioxid und Wasserdampf. Schwefelwasserstoffgas ist zudem ein kräftiges Reduktionsmittel.

Verwendung

Großchemie

Schwefelwasserstoff ist die Hauptquelle für elementaren Schwefel (Claus-Prozess), welcher wiederum zu über 95 % zu Schwefelsäure umgesetzt wird.

Chemische Analytik

Im klassischen Kationentrenngang wird es zum Ausfällen einer ganzen Gruppe benutzt (Schwefelwasserstoffgruppe). Durch Einleiten von H2S-Gas in schwach saure Lösungen fallen aus: As2S3, SnS2, Sb2S3, HgS, SnS, PbS, Bi2S3, CuS und bei Verdünnen mit Wasser auch CdS. Diese Kationen sind dann weiter aufzutrennen und mithilfe von Nachweisreaktionen zu identifizieren.

Wegen seiner Giftigkeit wird im Kationen-Trennungsgang zunehmend auf Schwefelwasserstoff verzichtet. Stattdessen werden die benötigten Sulfid-Anionen in situ erzeugt, zum Beispiel mit Hilfe von Thioacetamid, in kleineren Mengen auch durch Erhitzen von Schwefel mit Kerzenwachs.

H2S-Gang: Dieses Verfahren baut auf dem klassischen Trennungsgang auf. Durch spezifische Reagenzien werden chemisch ähnliche Kationen gruppenweise zur Fällung gebracht. Der Niederschlag wird in weiterer Folge aufgetrennt und analysiert, mit dem Überstand (der Lösung) wird weitergearbeitet und daraus die nächste Gruppe zur Fällung gebracht.

Sicherheitshinweise

Besondere Gefahr für den Menschen

Schwefelwasserstoff ist ein äußerst giftiges Gas.

Schwefelwasserstoff hat die Eigenschaft, die Geruchsrezeptoren zu betäuben, wodurch man eine Erhöhung der Konzentration nicht mehr über den Geruch wahrnimmt. Der Schwellwert für die Betäubung der Geruchsrezeptoren liegt bei einer Konzentration von 250–300 ppm H2S. Zugleich sammelt sich das Gas durch seine hohe Dichte am Boden.

Kurzfristige Giftwirkung

Der Schwefelwasserstoff bildet bei Kontakt mit Schleimhäuten und Gewebeflüssigkeit im Auge, der Nase, des Rachens und in der Lunge Alkalisulfide, die eine sehr starke Reizwirkung verursachen. Mit eine Folge sind Wassereinlagerungen in der Lunge. Die Symptome verschwinden gewöhnlich innerhalb weniger Wochen.

Die eigentliche Giftwirkung beruht auf einer Zerstörung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin und damit einer Lähmung der intrazellulären Atmung. Der Mechanismus ist bis heute unklar, es wird vermutet, dass allgemein schwermetallhaltige, sauerstoffübertragende Enzyme inaktiviert werden. Der kleinere, nichtoxidierte Teil des Schwefelwasserstoffs kann Schäden im zentralen und evtl. auch peripheren Nervensystem hervorrufen.

Auf den Menschen ergeben sich folgende Wirkungen:

  • ab 20 ppm: Hornhautschäden bei längerer Einwirkung
  • ≈ 100 ppm: Reizung der Schleimhäute an Auge und Atemwege, Speichelfluss, Hustenreiz
  • > 200 ppm: Kopfschmerz, Atembeschwerden
  • > 250 ppm: Betäubung der Geruchsrezeptoren
  • > 300 ppm: Brechreiz
  • ≈ 500 ppm: Kraftlosigkeit, Benommenheit, Schwindel
  • > 500 ppm: Krämpfe, Bewusstlosigkeit

Langzeit-Einwirkung unter niedrigen Dosen kann zu Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Gereiztheit, Gedächtnisschwäche und Konzentrationsschwäche führen.

Auf den Menschen ergeben sich konzentrationsabhängig Vergiftungserscheinungen:

  • < 100 ppm: nach mehreren Stunden
  • > 100 ppm: < 1 h
  • ~ 500 ppm: lebensgefährlich in 30 min
  • ~1000 ppm: lebensgefährlich in wenigen Minuten
  • ~5000 ppm: tödlich in wenigen Sekunden

Das bedeutet, dass H2S-Konzentrationen von 0,1 % nach wenigen Minuten und solche von 0,5 % nach wenigen Sekunden tödlich wirken! Bewusstseinsverlust tritt bei solchen Konzentrationen schon innerhalb eines oder mehrerer Atemzüge ein.

Langzeitwirkung

Tierstudien zeigen, dass Schweine, die mit schwefelwasserstoffhaltigen Nahrungsmitteln gefüttert wurden, nach einigen Tagen an Diarrhoe leiden und einen Gewichtsverlust nach etwa 105 Tagen zeigen.

An der kanadischen Universität von Calgary zeigten Versuche an Teichschnecken, die unterschiedlichen Konzentrationen von Schwefelwasserstoff ausgesetzt waren, dass schon geringe Mengen das Gedächtnis stark beeinträchtigen. Selbst bei natürlich vorkommenden Konzentrationen verloren die Weichtiere dabei vollständig ihre Fähigkeit, zu lernen und Erinnerungen zu bilden.

Heilende Wirkung

Allerdings ist Schwefelwasserstoff in manchen Kurbädern – z. B. in Aachen, Heilbronn, Bad Tölz, Bad Homburg und Tiflis – in geringen, nicht gesundheitsschädlichen, aber durchaus mit der Nase wahrnehmbaren Mengen im Heilwasser enthalten. Es ist Quellwasser mit natürlich hohem Gehalt an Schwefelwasserstoff und hilft in dieser geringen Konzentration, Hautkrankheiten zu heilen.

In einer Studie von 2007 an der University of Alabama in Birmingham, die im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde, ist Schwefelwasserstoff in sehr geringer Dosis vermutlich auch als wesentlicher Faktor für die gesundheitliche Wirkung von Knoblauch verantwortlich: „Den Autoren zufolge senkt das Zwiebelgewächs das Risiko für Herzerkrankungen durch Bluthochdruck, erhöhtes Blutfett (Cholesterin) und andere Faktoren. In Bevölkerungsgruppen, die viel Knoblauch verzehren, gebe es deshalb auch weit weniger Probleme mit zu hohem Blutdruck, heißt es in dem Fachjournal.“[2]

Nachweis

H2S schwärzt Bleiacetat-Lösung. Die einfachere Variante ist angefeuchtetes Bleiacetat-Papier.

Quellen

  1. a b c d e f Eintrag zu Schwefelwasserstoff in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 3.9.2007 (JavaScript erforderlich)
  2. SPIEGEL Online, abgerufen am 16. Oktober 2007

Literatur

  • Marcel Gerbersmann: Der Schwefel – 101. Beispiele. Herlitz Verlag, 2003
  • D. Weismann, M. Lohse (Hrsg.): Sulfid-Praxishandbuch der Abwassertechnik; Geruch, Gefahr, Korrosion verhindern und Kosten beherrschen! 1. Auflage, VULKAN-Verlag, Deutschland 2007, ISBN 978-3-8027-2845-7
 
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