Protein erhöht Pumpleistung des Herzens

Entwicklung von Medikamenten sowie einer Gentherapie geplant

29.08.2003 - Deutschland

Wer zu wenig von diesem Treibstoff im Herzen hat, dessen Herz schlägt nicht mit voller Kraft: Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg haben erstmals im Tierversuch bewiesen, dass ein Protein mit dem Namen S100A1 die Pumpleistung des Herzens erhöht und damit ihre früheren Untersuchungsergebnisse an Herzmuskelzellen bestätigt. Weiterhin konnten sie zeigen, dass der "Herzmuskeltreibstoff" auch die Kraftentwicklung der Skelettmuskulatur zu steigern vermag. Darüber hinaus identifizierten sie erstmals diejenigen Strukturen des proteins, die den kraftsteigernde Effekt auf den Kalzium-Stoffwechsel vornehmlich vermitteln und haben dadurch den Weg für eine Arzneimittelentwicklung geebnet.

Für seine bahnbrechende Arbeit wurde Dr. Patrick Most mit dem "Early Career Development Award 2002" der American Heart Association ausgezeichnet. Er leitet eine Forschungsgruppe der Abteilung für Kardiologie, Pulmologie und Angiologie der Medizinischen Universitätsklinik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Hugo Katus).

Entwicklung von Medikamenten sowie einer Gentherapie geplant

Welche Rolle spielt S100A1 im schlagenden Herzen ? Um diese Frage zu beantworten, züchteten die Heidelberger Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Herrn Prof. Walter Koch an der Duke Universität in North Carolina/USA transgene Mäuse. In ihre Keimzellen wurde ein Gen eingeschleust, das für eine Überproduktion von S100A1 in den Herzmuskelzellen erwachsener Mäuse sorgt. "Erfreulicherweise fanden wir im Vergleich zu normalen Mäusen weder Unterschiede in Fruchtbarkeit, Krankheit, Sterblichkeit noch in der Herzgröße", berichtet Dr. Most. "Die dauerhaft erhöhte Konzentration von S100A1 hat offensichtlich keine schädlichen Auswirkungen auf den Herzmuskel", so Dr. Most. Dagegen war als positiver Effekt eine deutliche Leistungssteigerung in der Schlagkraft der Herzen festzustellen. "Wir haben nun die Hoffnung, dass S100A1 bei Patienten mit Herzmuskelschwäche, die eine erniedrigte Konzentration des Proteins im Herzmuskel aufweisen, die Pumpleistung steigert, ohne gefährliche Herzrhythmusstörungen hervorzurufen.

Hierfür wollen die Forscher zwei Strategien verfolgen. Zum einen sollen die neuen Erkenntnisse zur Struktur-Funktionsbeziehung des Proteins in die Entwicklung eines Pharmakons einfließen, um die erlahmte Herzkraft von Patienten zu steigern. Andererseits sollen die technischen Möglichkeiten eines S100A1-Gentransfers in den Herzmuskel weiterentwickelt werden, um die genetische Information für das Protein direkt über einen Herzkatheter zu applizieren. Zuvor müssen im Tierversuch jedoch Verträglichkeit und Risiken eines solchen Therapieansatzes sorgfältig untersucht werden. So könnte nach der invasiven Diagnostik einer Herzmuskelschwäche dem erkrankten Patienten im Anschluss das S100A1-Gen als Therapie verabreicht werden.

Protein S100A1 verstärkt die Muskelkontraktion / Konzentrationssteigerung durch Ausdauertraining?

Auch im Skelettmuskel entfaltet S100A1 seine günstige Wirkung. "Ohne das regulierende Protein wären wir wahrscheinlich schlapp, denn S100A1 ist ein wichtiger Verstärker bei der Muskelkontraktion", sagt Dr. Most. "Das Calcium-bindende Protein S100A1 kommt in hohen Konzentrationen nur im Herzmuskel und niedriger konzentriert in der quergestreiften Skelettmuskulatur vor", erklärt der Heidelberger Arbeitsgruppenleiter.

Die Forscher registrierten deshalb mit Erstaunen, dass selbst Spuren von S100A1 eine starke Kontraktion der Muskelfasern auslöste. S100A1 bindet zunächst Kalzium und wird dadurch aktiviert. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe "Medical Biophysics" von Herrn Prof. Dr. Rainer Fink am Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Heidelberg konnten die Wissenschaftler erstmals zeigen, welche Anteile des Proteins an den Ryanodin-Rezeptor (RyR1) der Muskelzelle binden und so die Kraft der Muskelfaser steigern. Die verstärkte Öffnung des Kalziumkanals durch S100A1 führt zu einer gesteigerten Freisetzung von Kalzium aus intrazellulären Kalziumspeichern, die so die Muskelfasern zur Kontraktion bringt. Je mehr S100A1 in den Zellen vorhanden ist, desto mehr Kraft können sie entwickeln.

"Damit konnten wir zeigen, dass S100A1 wie im Herzen gezielt den für die Muskelkontraktion wichtigen Kalzium-Kanal öffnet und somit eine verstärkende Funktion ausübt", sagt Most. Weiterhin vermutet der Forscher, dass S100A1 auch als Vermittler für den Energiehaushalt der Muskelzellen tätig ist. Wird die Muskulatur ausdauertrainiert und zu leistungsfähigerem Gewebe umgewandelt, steigt die Konzentration von S100A1 in der Zelle um ein Vielfaches an.

Erste Ergebnisse im Tierexperiment belegen Wirksamkeit des Gentransfers

Bevor klinische Studien begonnen werden können, muss zunächst untersucht werden, wie lange der therapeutische Effektes von S100A1 anhält, und welche Dosen eine Wirkung im erkrankten Herzmuskel haben. "Neue bisher noch unveröffentlichte Daten aus unserem Labor belegen jedoch bereits den therapeutischen Effekt eines S100A1 Gentransfers sowohl an erkrankten Herzmuskelzellen als auch im Tiermodell der Herzmuskelschwäche, so dass wir zur Zeit mit Nachdruck an der weiteren Umsetzung des therapeutischen Konzeptes arbeiten", berichtet der Heidelberger Forscher. "Ob und wann klinische Studien begonnen werden können, ist zur Zeit noch nicht vorhersagbar, aber durch unsere jüngsten Daten in greifbare Nähe gerückt."

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