Das Motorprotein tanzt in unseren Zellen

26.09.2017 - Deutschland

Motorproteine treiben als molekulare Maschinen viele lebenswichtige Prozesse in unseren Zellen an: Dabei bewegen sie sich „tanzenderweise“ fort, wie Professor Erik Schäffer und sein Team vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen nun in einer Studie zeigen. Um die winzigen Proteine auf der Größenskala von Nanometern, also einem Millionstel Millimeter, verfolgen zu können, nutzte er eine selbstentwickelte optische Pinzette.

Avin Ramaiya

Die Wissenschaftler ließen das Motorprotein Kugeln aus Flüssigkristall mit dem Durchmesser von einem Mikrometer transportieren, welche als Rotationssonden dienten (1 Mikrometer = 1000 Nanometer). In Abhängigkeit vom Drehwinkel, ändert sich ihr Erscheinungsbild. Das Foto zeigt eine Überlagerung von mehreren Bildern der Kugeln, die durch Polarisationsmikroskopie aufgenommen wurden.

Motorproteine, wie beispielsweise das Kinesin, sind die treibende Kraft für Prozesse in unseren Zellen: Beispielsweise ziehen sie bei der Zellteilung Chromosomen ‒ das Erbgut ‒ mechanisch auseinander oder sie transportieren „Pakete“ innerhalb der Zelle von A nach B, entlang winziger 13-spuriger „Autobahnen“, genannt Miktrotubuli. Mit einer Länge von etwa 60 Nanometern sind diese Motorproteine mit bloßem Auge nicht sichtbar, doch ihre Auswirkung ist enorm: Funktioniert beispielsweise der Transport in Nervenzellen nicht mehr, kann dies unter anderem zu neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer führen. Wie sich diese Motoren entlang der Mikrotubuli bewegen ist deshalb eine grundlegende, biologische Fragestellung. Aufschlüsse zu ihrer Funktion könnten wichtig für die Entwicklung von Medikamenten gegen neurodegenerative Erkrankungen oder ungewollte Zellteilung wie bei Krebs sein.

Der Biophysiker Erik Schäffer hat ein neues Mikroskop entwickelt, eine optische Pinzette mit Rotationssensor, mit dem gleichzeitig die Fortbewegungen wie auch die Drehung der nanoskaligen Motoren gemessen werden kann. Nach derzeitigen Erkenntnissen hat das Kinesin zwei „Füße“, die es in acht Nanometer großen Schritten einen vor den anderen setzt, um sich vorwärts zu bewegen ‒ ähnlich wie beim menschlichen Gang. Die neuen Messungen zeigen nun, dass es sich dabei nicht nur vorwärts bewegt, sondern auch noch dreht, ähnlich wie bei einem Wiener Walzer: Es macht mit jedem Schritt eine halbe Drehung und dreht in einer Rotationsbewegung sich selbst und die zu transportierenden „Pakete“ immer in die gleiche Richtung weiter.

Welche Auswirkung diese Art der Fortbewegung auf den Transport und die Zellteilung hat, wollen die Wissenschaftler in weiteren Studien untersuchen.

Originalveröffentlichung

Avin Ramaiya, Basudev Roy, Michael Bugiel and Erik Schäffer; "Kinesin rotates unidirectionally and generates torque while walking on microtubules"; PNAS; 2017

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