Zellulären Sortierprozessen auf der Spur

08.03.2017 - Deutschland

In einer tierischen oder pflanzlichen Zelle laufen unzählige Prozesse ab, in denen sich kleine Bausteine sortieren und zu größeren Molekülen zusammensetzen, umbauen oder wieder in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen. Wissenschaftler versuchen, derartige Ereignisse künstlich nachzustellen, sind aber von der Komplexität natürlicher Vorgänge noch weit entfernt. Forschern des DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und der Universität Freiburg ist es nun gelungen, ein Set aus vier mikrometergroßen Bausteinen herzustellen, das sich ohne äußeres Zutun selbstständig auf unterschiedliche Weise sortieren und sich anschließend wieder vermischen kann.

Andreas Walther, Universität Freiburg

Wissenschaftler des DWIs und der Universität Freiburg stellten vier Arten von mikroskopisch kleinen Gel-Partikeln her, die sich selbstständig zu unterschiedlichen Strukturen anordnen können. Ein Beispiel ist die ‚soziale Anordnung‘, bei der sich jeweils zwei Mikrogel-Arten zusammenfinden. Die verschiedenen Arten von Gel-Partikeln sind als unterschiedlich farbige Tropfen schematisch in der der Abbildung dargestellt und als fluoreszierende Partikel in einer mikroskopischen Aufnahme.

Der Forschungserfolg lässt sich anhand von Legosteinen erklären: Man nehme einen Haufen Legosteine, von denen jeder Stein entweder blau, rot, grün oder gelb ist. Wer es sich nun einfach machen möchte, baut diese Legosteine ohne Berücksichtigung der vier Farben zusammen, sodass ein buntes Gebilde entsteht. Ein wenig größer ist der Aufwand, wenn man die Legosteine zunächst nach den vier Farben sortiert, sodass nur komplett blaue, rote, grüne oder gelbe Objekte entstehen. Läuft dieser Prozess selbstständig an, nennt man ihn ‚unsoziale‘ Assemblierung. Eine weitere, etwas komplexere Aufgabe ist, aus der bunten Mischung an Legosteinen nur Objekte mit roten und blauen Steinen und Objekte mit grünen und gelben Steinen zu bauen. Laufen beide Prozesse gleichzeitig und selbstständig ab, so spricht man von einer ‚sozialen‘ Assemblierung.

Eine ähnliche Aufgabe hatten sich die Wissenschaftler aus Aachen und Freiburg gestellt, allerdings nutzen sie winzige Gelpartikel, sogenannten Mikrogele, statt der handlichen Legosteine. Mikrogele sind besonders wasserreiche, schwammartige Gelpartikel, die sich chemisch modifizieren lassen. „Wir haben vier verschiedenen Arten von Mikrogelen hergestellt, die sich selbstständig sortieren und zusammenfügen können. Dabei können sich die Mikrogel-Typen sowohl zu ‚unsozialen‘ Gruppen zusammenfügen, also unter ihresgleichen bleiben, oder sich ‚sozial‘ sortieren, also sich gemeinsam mit einem zweiten Mikrogel-Typ zusammenfügen“, erklärt Dr. Alexander Kühne vom DWI. Er leitete das Forschungsprojekt gemeinsam mit Prof. Dr. Andreas Walther, der im Herbst 2016 vom DWI an die Universität Freiburg wechselte.

Die Schwierigkeit lag für die Wissenschaftler darin, dass die Mikrogele zwischen falschen und richtigen Partnern unterscheiden müssen. Um das zu erreichen, bauten die Wissenschaftler molekulare Interaktionen in die Mikrogele ein, sodass manche Mikrogele nun miteinander interagieren können und andere wiederum nicht. Das funktioniert wie ein Schlüssel, der nur in ein bestimmtes Schloss passt. Statt Schlüssel und Schloss verwendeten die Wissenschaftler schaltbare Moleküle, die sich in zyklische Zuckermoleküle einlagern. Mit einer Veränderung der Lichtbestrahlung oder durch bestimmte chemische Reaktionen können die Forscher die Form der schaltbaren Moleküle während des laufenden Experiments verändern. Auf diese Weise können die Mikrogele sich sortieren und auf Knopfdruck wieder auseinanderdriften und sich durchmischen.

„Wir möchten mit unseren Versuchen natürliche Vorgänge in Zellen besser verstehen“, so Kühne. „Gleichzeitig helfen uns Fortschritte auf diesem Gebiet bei der Entwicklung biologisch inspirierter, interaktiver Materialien.“

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