Multiple Sklerose: Pflanzenpeptid könnte den Ausbruch der Erkrankung verhindern

01.04.2016 - Österreich

An der MedUni Wien könnte eine herausragende Entwicklung bei der Behandlung von Multipler Sklerose (MS) gelungen sein: Christian Gruber, Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie, konnte zusammen mit seinem Team und der Forschungsgruppe um Gernot Schabbauer, sowie internationalen Partnern aus Australien, Deutschland und Schweden im Tiermodell zeigen, dass es nach der Behandlung mit einem speziellen synthetischen Pflanzenpeptid (Zyklotid, engl. „Cyclotide“) zu keiner weiteren Entwicklung üblicher klinischer Anzeichen einer Multiplen Sklerose kommt. Gruber: „Die einmalige orale Gabe des Wirkstoffs hat die Symptome sehr stark verbessert. Es kam zu keinen Schüben der Erkrankung. Das könnte den Verlauf der Erkrankung generell deutlich verlangsamen.“

MS ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Isolierschichten der Nervenfasern zerstört werden. Die Erkrankung verläuft in Schüben und ist derzeit nicht heilbar. Ein Schub definiert sich durch das Auftreten neuer oder das Wiederaufflammen bereits bekannter Symptome. Durch die einzelnen Schübe kommt es zu einer sofortigen oder auch verzögerten, weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands der PatientInnen. Die Mechanismen der Entzündung im Nervensystem sind partiell aufgeklärt. Auf der Basis dieser Erkenntnisse stehen Therapien zur Verfügung, die den Verlauf verzögern können aber vorallem bei Dauertherapie mitunter erhebliche Nebenwirkungen aufweisen. Weltweit sind Schätzungen zufolge rund 2,5 Millionen Menschen von MS betroffen, rund 8.000 in Österreich.

Die Entdeckung der Wiener Wissenschafter lässt nun realistisch darauf hoffen, die Erkrankung bereits in einer sehr frühen Phase stoppen oder ihre Entwicklung zumindest stark verlangsamen zu können. „Sobald funktionelle neurologische Defizite auftreten und im MRI-Scan (Anm.: Magnetic Resonance Imaging) erste krankheitsbedingte Veränderungen im Zentralnervensystem sichtbar sind, könnte man das Medikament zur Basistherapie verabreichen. In einem Tiermodell für MS wurde das Auftreten von Symptomen durch die orale Verabreichung von Cyclotiden erheblich reduziert. Es könnte also sein, dass sich die Zeitspanne zwischen den Schüben verlängert oder möglicherweise ein Ausbruch der Erkrankung verhindert werden kann“, fassen Gruber und Schabbauer das zentrale Ergebnis der Studie zusammen.

Basierend auf dieser Entwicklung hat die MedUni Wien zusammen mit dem Universitätsklinikum Freiburg Patente in mehreren Ländern angemeldet, und an die eigens für die Weiterentwicklung gegründete Firma Cyxone auslizensiert. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, ein oral aktives, sicheres Medikament für die Behandlung von Multipler Sklerose zu entwickeln. Dafür könnte eine klinische Studie der Phase I, so Gruber, mit Ende 2018 starten.

Cyclotide: leicht verfügbar und oral einsetzbar

Cyclotide sind makrozyklische Pflanzenpeptide, die aus allen bedeutenden Pflanzenfamilien (z.B. Kaffeegewächse, Kürbisgewächse, aber auch Gräser und Nachtschattengewächse) isoliert werden können und daher eine vielseitige und große Gruppe von Naturstoffen darstellen. Weiterer Vorteil: Das daraus gewonnene Medikament kann oral eingenommen werden. Viele der derzeit gängigen MS-Therapien müssen intravenös verabreicht werden.

Der Wirkmechanismus der Cyclotide wurde vor drei Jahren ebenfalls von den Wissenschaftern an der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit Forschern des Universitätsklinikums Freiburg entdeckt: Sie unterdrücken den Botenstoff Interleukin-2 und damit die Zellteilung der T-Zellen, die bei der Reaktion des menschlichen Immunsystems als „Killer“- oder „Helfer“-Zellen wirken. Cyclotide könnten daher möglicherweise auch bei anderen Erkrankungen eingesetzt werden, die durch ein überaktives, fehlgeleitetes Immunsystem gekennzeichnet sind wie etwa die rheumatoide Arthritis. 

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