Kommunikationsregeln im Zellkern: Gene und Kernporen brauchen „Dolmetscher“

01.09.2015 - Österreich

Kernporen in den Hüllen von Zellkernen kontrollieren nicht nur den Transport von Molekülen in und aus dem Zellkern, sondern spielen auch eine wichtige Rolle beim Ablesen der Erbinformation – der Genexpression. Forscher an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien haben nun einen Mechanismus entschlüsselt, wie Kernporen mit Hilfe von “Dolmetschern” die Genexpression direkt beeinflussen. Die kürzlich in CELL publizierten Erkenntnisse wurden in Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) und der Pennsylvania State University gewonnen.

Schon seit langem stellen die Kernporen die Wissenschaft vor ein Rätsel. Bereits ausführlich beschrieben ist ihre Transportfunktion für Moleküle in und aus dem Zellkern. Darunter fallen auch Bausteine, die im Zellkern beim Ablesen der Erbinformation helfen, und jene, die den Zellkern mit einer bestimmten Botschaft wieder verlassen müssen, damit im Inneren der Zelle (Anm.: Zytoplasma) die richtigen Proteine hergestellt werden können.

Doch die Kernporen nehmen bei der Genexpression eine viel aktivere Rolle ein. “Gene sind dynamisch und verändern ihre Position im Zellkern, je nachdem ob sie aktiv sind oder nicht. Faszinierend ist, dass manche Gene sich an die Kernporen heften können – jener Ort, wo die Kopie des Gens ins Zytoplasma exportiert wird. Das führt zu Veränderungen der Genexpression, also der Häufigkeit mit der die Erbinformation durch die Transkriptionsmaschine abgelesen wird. Aber wie kommunizieren Kernporen mit der Erbinformation? Wir haben schon lange vermutet, dass es Adapter geben muss, die Gene nicht nur an der Kernpore verankern, sondern Informationen an die Transkriptionsmaschine weitergeben“, erklärt Alwin Köhler, der Gruppenleiter an den Max F. Perutz Laboratories ist.

Übersetzungsprogramm bereitet Erbinformationen auf

In Zusammenarbeit mit Forschern des Nachbarinstituts IMP am Vienna Biocenter und Kollegen an der Pennsylvania State University in den USA ist es Alwin Köhlers Gruppe nun gelungen, einen Mechanismus zu entschlüsseln, der die Kommunikation zwischen Kernporen und Genen erklärt. “Wir sind bei unseren Forschungen auf ein ‘Übersetzungsprogramm’ gestoßen, das die Erbinformationen für die RNA-Polymerase II aufbereitet”, so Alwin Köhler. Die RNA-Polymerase II ist der Hauptakteur bei der Transkription. Sie synthetisiert die messenger RNA (mRNA), die eine Kopie für die Herstellung von Proteinen ist.

Im Detail identifizierten die Wissenschafter den sogenannten TREX-2 Komplex als Dolmetscher Nummer 1, der seine Informationen direkt von der Kernpore bezieht. Er übersetzt diese für den mit dem treffenden Namen Mediator bezeichneten Komplex, der die Information wiederum für die RNA-Polymerase II zugänglich macht. Die so entstandene mRNA wird zurück an TREX-2 und die Kernpore geleitet und dann ins Zytoplasma exportiert.

“Die Mechanismen der Transkription zu entschlüsseln, ist wichtig, wenn wir den Bauplan einer Zelle wirklich verstehen wollen. Das wiederum ist die Grundlage, um vielfältige Erkrankungen wie Krebs irgendwann therapieren zu können, denn letztlich geht es oft um ‚Kommunikationsfehler’ beim Ablesen der Erbinformation. Grundlagen- und klinische Forschung gehen idealerweise Hand in Hand. Die Medizinische Universität Wien hat am Vienna Biocenter die großartige Möglichkeit, mit exzellenten WissenschaftlerInnen der Universität Wien und der Nachbarinstitute eng zu kooperieren. Unsere erfolgreiche Zusammenarbeit mit Tim Clausen am IMP ist das beste Beispiel dafür”, sagt Alwin Köhler. Maren Schneider, eine Erstautorin der Publikation, fügt hinzu, dass die Arbeit jetzt erst richtig beginnt. “Wir haben eine Frage beantwortet, aber zehn neue Fragen sind dazugekommen. Genau das macht dieses Projekt so spannend.”

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