"Prozessoptimierung" in der Zelle

Cleveres Feedback-System reguliert Immunantworten

18.08.2015 - Österreich

Dass Immunantworten nicht aus dem Ruder laufen, ist einem neu entdeckten Rückkoppelungsmechanismus des Körpers zu verdanken. Dieser wirkt auf der Ebene bestimmter Gene und verknüpft deren Inaktivierung mit dem Fortschreiten des Ablesens dieser Gene. Dieser clevere Mechanismus wurde als Teil eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF entdeckt. Diese Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung bieten einen völlig neuen Ansatzpunkt für zukünftige Therapien, die auf eine Kontrolle des Immunsystems abzielen.

Dringen Mikroorganismen in den Körper ein, werden Zytokine freigesetzt, die sofort Abwehrmaßnahmen initiieren. Diese bestehen auch im Aktivieren und Ablesen bestimmter Gene und damit in der Produktion von Abwehrproteinen. Dabei ist es wichtig, dass der Körper nicht zu viele dieser Proteine produziert, daher wird deren Herstellung rechtzeitig gedrosselt. Dass dies passiert, ist seit Langem bekannt. Wie es passiert, erst seit Kurzem – dank der Arbeiten einer Gruppe rund um den Immunbiologen Pavel Kovarik. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt an den Max. F. Perutz Laboratories konnten die Wissenschaftler zeigen, wie diese Drosselung erfolgt.

Gebremst

Zum besseren Verständnis des soeben entschlüsselten Mechanismus ist es wichtig zu wissen, dass Zytokine auf die sogenannte STAT-Familie von Proteinen wirken, die als Transkriptionsfaktoren agieren. Zur Erfüllung dieser Funktion müssen die STATs an spezielle Sequenzen der DNA binden, und es ist genau diese Bindung, die durch Zytokine gefördert wird. Bei seiner Arbeit konzentrierte sich das Team um Kovarik zunächst auf das gegen virale Infektionen produzierte Zytokin Interferon und die Regulation der Aktivität von STAT1. Die Untersuchungen führten zur Entdeckung eines neuen und verblüffend wirksamen Mechanismus. Das Team konnte zeigen, dass mit Fortschreiten des von STAT1 initiierten Ablesens eines Gens STAT1 zunehmend von der DNA gelöst wird. Kovarik dazu: "Dieser bisher unbekannte Feedback-Mechanismus setzt sehr frühzeitig im Prozess der Herstellung von Abwehrproteinen an und erlaubt somit eine rasche Regulierung einer Immunantwort." In der Folge konnte das Projekt-Team den gleichen Regulierungsvorgang auch für STAT2 und STAT3 beobachten, was ein Hinweis auf die evolutionär frühzeitige Verbreitung dieses Mechanismus ist.

Klares Ergebnis

In der Folge konnte Pavel Kovarik auch zeigen, dass ein anderer – bereits bekannter – Prozess der Inaktivierung von STAT1 nicht ausschlaggebend für die Regulierung der Immunantwort ist. Dieser andere Vorgang beruht auf einer chemischen Modifikation der STAT-Proteine, bei der Phosphatgruppen entfernt werden, was die Inaktivierung von STAT1 zur Folge hat. "Obwohl diese Inaktivierung tatsächlich eine weitere Produktion von Abwehrproteinen verhindert, so ist die von uns entdeckte Loslösung der STAT-Proteine von der DNA der wesentlich wirksamere und damit entscheidende Regulierungsschritt", erläutert Kovarik die Ergebnisse seines Projekts.

Strukturwandel

Obwohl es derzeit nicht bekannt ist, wie die Information des fortschreitenden Ablesens der DNA an das DNA-gebundene STAT1 übermittelt wird – und damit die Loslösung initiiert wird –, hat Kovarik eine klare Vorstellung, wie dies erfolgen könnte: "Modellberechnungen und die Ergebnisse anderer Arbeiten legen nahe, dass das Fortschreiten des Ablesens der Gene sich auf die Struktur der DNA auswirkt. Diese Strukturveränderung kann dazu führen, dass STAT1 sich von der DNA löst."

Angriffspunkt

Der nun entdeckte Mechanismus zur Regulierung von Immunantworten bietet völlig neue Möglichkeiten für therapeutische Interventionen. Denn sowohl ein zu schwach reagierendes als auch ein überreagierendes Immunsystem kann zu Problemen führen –, schwerwiegende Infektionen oder Autoimmunerkrankungen können die Folge sein. Gezielte Eingriffe in den im Rahmen dieses FWF-Projekts entdeckten Mechanismus könnten dem entgegenwirken und so die natürliche Immunantwort des Körpers optimal einsetzen.

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