Neues Antibiotikum aus schädlichem Pilz

Aus dem Erreger des Eschensterbens lassen sich möglicherweise nützliche Substanzen gewinnen

10.03.2014 - Deutschland

Pilze sind für den Menschen von außerordentlich hoher Bedeutung – in positiver wie in negativer Hinsicht. Einige Arten werden in der Biotechnologie zur Produktion von Nahrungsmitteln, Enzymen und Antibiotika eingesetzt, andere hingegen richten großen Schaden in der Landwirtschaft an. Aus einem dieser Schädlinge lassen sich jedoch möglicherweise für den Menschen nützliche Substanzen gewinnen, wie Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Technischen Universität (TU) Braunschweig jetzt zeigen konnten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift Phytochemistry.

Hans-Otto Baral

Nahaufnahme der Fruchtkörper des pathogenen, nach Europa eingeschleppten Pilzes.

Der Erreger des Eschensterbens, ein kleiner Becherling mit dem wissenschaftlichen Namen Hymenoscyphus pseudoalbidus, hat in jüngster Zeit in ganz Europa großen Schaden angerichtet. Nach derzeitigen Erkenntnissen wurde der Schädling zusammen mit seinem natürlichen Wirt eingeführt, der aus Japan stammenden Zier-Esche Fraxinus mandshurica.  In seiner asiatischen Heimat ist der Pilz völlig harmlos. Wenn er allerdings auf die europäischen Eschen überspringt, richtet er diese innerhalb weniger Jahre zugrunde. In manchen Gegenden Osteuropas hat er bereits mehr als 90 Prozent der Eschenbestände zerstört und breitet sich nun ungebremst nach Südwesten aus.

Führende Wissenschaftler aus ganz Europa haben sich daher, mit Beistand aus den USA und Asien, zum von der EU geförderten internationalen Forschungsnetzwerk COST Action FP1103 „FRAXBACK“ zusammengeschlossen, um den gefährlichen Eindringling gemeinsam zu bekämpfen. Auch in Braunschweig arbeiten Experten aus der Biodiversitäts- und Wirkstoff-Forschung an dem Pilz.

Eine auf den ersten Blick überraschende Entdeckung der beteiligten Forschungsgruppen des HZI und der TU: Die Wissenschaftler isolierten aus Kulturen des Schadpilzes ein neues Antibiotikum. Interessanterweise wirkt es besonders stark auf bestimmte Bakterien. „Eine der stärksten Wirkungen haben wir gegen bestimmte Stämme des gefährlichen Eitererregers Staphylococcus aureus, sogenannte MRSA-Bakterien, feststellen können“, sagt Marc Stadler, Leiter der Abteilung „Mikrobielle Wirkstoffe“ am HZI. „Diese sind bereits resistent gegen Penicillin und viele andere handelsübliche Antibiotika.“

Das „Hymenosetin“ getaufte neue Antibiotikum wirkt allerdings auch gegen Säuger-Zellkulturen und einige andere Mikroorganismen und ist somit noch lange nicht reif für die pharmazeutische Entwicklung und den Einsatz in der Medizin. „Neben dem Versuch, den Wirkstoff wirksamer und gleichzeitig weniger giftig zu machen,  wollen wir auch ein biotechnologisches Produktionsverfahren entwickeln, um ihn besser zugänglich zu machen“, sagt Stadler.  

Darüber hinaus konnten die Forscher zeigen, dass  das Hymenosetin keinen Schaden bei  keimenden Eschensamen und an den Blättern der Wirtspflanze verursacht. Es ist bereits bekannt, dass Hymenoscyphus pseudoalbidus andere Stoffe bildet, die als pflanzliche Gifte wirken. „Es könnte also sein, dass das neue Antibiotikum gar nicht am eigentlichen Parasitierungsgeschehen direkt beteilig ist, sondern eine Abwehrwaffe des Pathogens gegen Pilze und Mikroorganismen darstellt, die im Pflanzengewebe der Esche leben“, sagt Sandra Halecker, Doktorandin am HZI und Erstautorin der Studie. Auch diese Hypothese, die in den Bereich der ökologischen Grundlagenforschung führt, werden die Forscher am HZI und der TU Braunschweig in Zukunft zu beantworten versuchen. 

Der neue Wirkstoff wird nun auch den Wissenschaftlern am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)  zur eingehenden Prüfung auf weitere Anwendungen zur Verfügung gestellt. Das DZIF ist eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Erforschung von Krankheitserregern, an der auch das HZI und die TU beteiligt sind.

Entstanden ist die Publikation aus einer Kooperation zwischen dem HZI und der TU Braunschweig, an der neben der Arbeitsgruppe von Marc Stadler am HZI auch die an der TU angesiedelten Arbeitsgruppen von PD Barbara Schulz und Prof. Jeroen Dickschat beteiligt sind. 

Eines der Ziele der Zusammenarbeit ist es die Giftproduktion des Schädlings genauer zu untersuchen. Darüber hinaus wollen die Wissenschaftler aus den wenigen Eschenbäumen, die gegen den Befall durch Hymenoscyphus pseudoalbidus resistent sind, sogenannte endophytische Pilze isolieren. Diese könnten unter Umständen einmal als natürliche Antagonisten, also als „Gegenspieler“ des krankheitserregenden Pilzes,  im biologischen Pflanzenschutz Verwendung finden.

Originalveröffentlichung

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