Dem Reiz des Neuen und Morbus Parkinson auf der Spur: Ionenkanäle steuern dopaminerge Neuronen

23.08.2012 - Deutschland

Wie hängen die Aktivität von Neuronen, das Explorationsverhalten und die Parkinson-Erkrankung zusammen? Forschergruppen um die NGFN-Wissenschaftler Prof. Birgit Liss in Ulm und Prof. Jochen Roeper in Frankfurt haben nun herausgefunden, dass ein spezielles Protein, ein so genannter K-ATP Ionenkanal, entscheidend für die Aktivitätsmuster bestimmter Dopamin-produzierender Nervenzellen ist – und damit wichtig für die Pathophysiologie des Morbus Parkinson, aber auch für das Explorationsverhalten.

Diese neuen Erkenntnisse der unter anderem über das NGFN, den Frankfurter SFB 815, den Ulmer SFB 497 und die Alfried Krupp-Stiftung geförderten Arbeit wurden nun in Nature Neuroscience veröffentlicht. Die Erstautorin der Studie Julia Schiemann, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Jochen Roeper, entdeckte, dass ein spezielles Protein, ein sogenannter Kalium-Ionenkanal (K-ATP), bei Mäusen in den Dopamin-produzierenden Nervenzellen der Substantia Nigra (SN-DA) – einer Region des Mittelhirns, aktiv und zudem wichtig für eine zeitweilig stark erhöhte Aktivität ist, die so genannte „Burstaktivität“. Diese geht mit einer verstärkten Dopamin-Freisetzung einher. Die neu erkannte Funktion der Ionenkanäle zeigte sich als essentiell für das Verhalten der untersuchten Mäuse. „Wenn wir diese Kanäle selektiv in bestimmten SN-DA-Nervenzellen mit Hilfe viraler Techniken ausschalten, „bursten“ diese Neuronen im intakten Gehirn kaum noch, und die so behandelten Tiere untersuchen mit weniger Interesse eine neue Umgebung“, erläutern Prof. Roeper, Leiter des Instituts für Physiologie II der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und Prof. Liss, Leiterin des Instituts für Angewandte Physiologie der Universität Ulm.

Zusätzlich spielen die K-ATP-Kanäle auch pathophysiologisch eine Rolle. In Zusammenarbeit mit Dr. Zaghloul vom National Institute of Health (NIH) konnten die Forscher zeigen, dass eben diese SN-DA-Nervenzellen auch bei Parkinson-Patienten eine hohe „Burstaktivität“ aufweisen. Das Absterben dieser Nervenzellen ist eine der Hauptursachen der Parkinson-Symptomatik, wie erschwerte Bewegungen und das Zittern der Muskulatur. Darüber hinaus zeigten die Forscher, dass eine regulatorische Untereinheit des K-ATP-Kanals, das so genannte SUR1-Gen, in den überlebenden Nervenzellen bei Parkinson-Patienten verstärkt exprimiert ist, also mehr Kanäle in der Zellmembran vorliegen sollten. „Diese Befunde weisen darauf hin, dass der K-ATP-Kanal bei Parkinson-Patienten in den SN-DA-Nervenzellen stärker aktiv ist und zur Pathophysiolgie des Morbus Parkinson beitragen könnte“, erklären Prof. Liss und Prof. Roeper.

Bereits 2005 haben Prof. Liss und Prof. Roeper diesen K-ATP Kanal mit der Parkinson’schen Krankheit in Verbindung gebracht. Die Forscher zeigten damals, dass eine generelle Inaktivierung der K-ATP-Kanäle das Absterben der SN-DA-Nervenzellen verhindern kann. Die eigentliche Funktion des Kanals in den SN-DA-Nervenzellen war jedoch bislang unklar.

Weitere Untersuchungen sollen nun klären, wie die K-ATP-Kanäle im Detail zu der Parkinson-Pathophysiologie und auch dem Verhalten Neuem gegenüber beim Menschen beitragen. Die Kalium-Kanäle in den SN-DA-Nervenzellen könnten auch einen möglichen Ansatzpunkt für die Parkinson-Therapie darstellen, indem ihre Öffnung und damit die Aktivität der Nervenzellen pharmakologisch beeinflusst wird. Medikamente, die die Öffnung von K-ATP-Kanälen hemmen, sind in der Therapie des Altersdiabetes (Diabetes mellitus Typ II) bereits im Einsatz. Hierbei bewirken sie die Schließung der Kalium-Kanäle und ermöglichen so eine erhöhte Insulinausschüttung aus den Pankreaszellen. Medikamente, die die Blut-Hirn-Schranke passieren und möglichst selektiv auf die K-ATP-Kanäle der SN-DA Neurone wirken, könnten das Fortschreiten des Zelltods bei der Parkinson-Erkrankung verzögern, hoffen die Wissenschaftler.

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