Alt aber gesund

Schutzmechanismus erforscht, der vor Krebs schützt, aber zum Altern beiträgt

08.04.2011 - Deutschland

Abschaltung im Störfall – Stammzellen verfügen über ein raffiniertes Kontrollsystem, das vor unkontrolliertem Zellwachstum schützt. Dieses System reduziert unser Krebsrisiko, es trägt allerdings wahrscheinlich auch wesentlich dazu bei, dass wir altern. Eine gemeinsame Forschergruppe der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Universität Bremen veröffentlicht Anfang April im Fachmagazin Genes, Chromosomes an Cancer einen wichtigen Teil des Mechanismus, mit dem Stammzellen dieses Kontrollsystem aktivieren.

J. Bullerdiek

Unter dem Mikroskop können "abgeschaltete", nicht mehr teilungsfähige Zellen mit Hilfe von Spezialfärbungen kenntlich gemacht werden. Das Bild zeigt Stammzellen aus dem Fettgewebe. Die abgeschalteten Zellen können an ihrer Blaufärbung erkannt werden.

„Wahrscheinlich altern wir, um lange leben zu können“ – mit dieser paradoxen Feststellung erläutert Professor Dr. Jörn Bullerdiek die Hintergründe der jetzt unter seiner Leitung entstandenen Forschungsergebnisse. Stammzellen sichern bei Erwachsenen das Überleben, indem sie Zellverluste ersetzen. Stirbt beispielsweise in einem Organ eine Zelle ab, sorgen die Stammzellen für Nachschub – und das ein Leben lang. Die Forschergruppe um Professor Bullerdiek hat sogenannte mesenchymale Stammzellen untersucht, die sich unter anderem in Binde- und Stützgeweben, Fett und der Muskulatur befinden. Wird eine Zellerneuerung erforderlich, wird die ruhende Stammzelle durch das Protein HMGA-2 aktiviert. Gleichzeitig sorgt das Protein p14 dafür, dass eine Schutzkaskade hochfährt. Droht der Zelle eine instabile Situation, die zur Tumorentstehung führen könnte, so schaltet sie sich dauerhaft ab – gesteuert durch das p14-Protein. Bullerdiek und sein Team konnten zeigen, dass das Protein p14 durch HMGA-2 aktiviert wird. Diese Erkenntnis ist wichtig für das Verständnis des Tumorwachstums. „Der Mechanismus schützt uns vor bösartigen Tumoren. In der Regel ist das System sehr zuverlässig, so dass im Verhältnis relativ wenige Tumore entstehen. Wir erkaufen diese Sicherheit aber mit einem hohen Level an p14, der zu einem zunehmenden Ausfall von Stammzellen führt – ein Umstand, der wahrscheinlich zu unserem Altern beiträgt,“ erklärt Professor Bullerdiek.

Nach einer Wachstumsphase vor der Geburt sowie, geringer ausgeprägt, in Kindheit und Jugend kennzeichnet das Gleichgewicht zwischen Zellverlust und Zellaufbau große Phasen unseres Erwachsenenlebens. Den Stammzellen verdanken wir es, dass dieses Gleichgewicht über lange Zeit funktioniert, da sie über die besondere „Begabung“ verfügen, sich selbst zu erneuern, so dass der Vorrat an diesen Zellen nicht aufgebraucht wird. Ohne Störungen verläuft die Erhaltung dieses Gleichgewichts aber nicht: Man vermutet, dass dem Altern unter anderem die nachlassende Fähigkeit von Stammzellen zu Grunde liegt, den erforderlichen „Nachschub“ an Zellen zu liefern. Aber auch das Gegenteil kann Probleme bereiten: Ihre Teilungsfähigkeit macht Stammzellen zum potenziellen Ausgangspunkt für die Entstehung von Tumoren. Um die Gefahr zu reduzieren zur Tumorzelle zu werden, haben Stammzellen Kontrollsysteme, die im Falle einer drohenden „Entgleisung“ einer Zelle dafür sorgen, dass die betreffende Zelle sich nicht weiter teilen kann.

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