Finanzspritze für junge Schmerzforscher

DGSS-Promotionsstipendien: Schmerz besser verstehen und behandeln

11.10.2010 - Deutschland

Regionalanästien verbessern, das Gegenteil des Placebo-Effekts verstehen, Erkenntnisse über das Komplex Regionale Schmerzsyndrom gewinnen: Bei der Bearbeitung dieser Fragen in ihren Dissertationen werden Alexander Böcker (Würzburg), Anne-Kathrin Bräscher (Mannheim) und Annika Reinersmann (Bochum) mit je 4.000 Euro unterstützt. Sie sind die diesjährigen Stipendiat(inn)en der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. Die Stipendien wurden beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim verliehen.

Alexander Böcker - Grundlagen für bessere Regionalanästhesien

Periphere Nerven sind Bündel von Nervenfasern, die in verschiedene Bindegewebshüllen eingebettet sind. Eine besondere Bedeutung hat das Perineurium, welches innerhalb der Nerven mehrere Fasern zu sog. Faszikeln zusammenfasst und gleichzeitig eine „Isolierfunktion“ hat. Zwar können Lokalanästhetika das Perineurium problemlos durchdringen. Sie haben aber auch Nachteile: Zum einen können sie neuro- bzw. kardiotoxisch wirken, zum anderen werden durch sie auch motorische bzw. sensorische Fasern gehemmt. Alternative Wirkstoffe wie Opioide können nur an die Nervenfasern gelangen, wenn man die Barriere des Perineuriums vorübergehend durchlässig macht. Diese gezielte Öffnung des Perineuriums ist ein neuer Ansatz für den Einsatz von Wirkstoffen bei Regionalanästhesien. Ziel der Promotionsarbeit von Alexander Böcker ist es, Signalwege innerhalb von Zellen bei der Öffnung des Perineuriums darzustellen, um so einen möglichen Angriffspunkt für Pharmaka bieten zu können. Dazu testet er im Tiermodell verschiedene Substanzen und untersucht den zeitlichen Verlauf und die Lokalisation der Aktivierung von beteiligten intrazellulären Proteinen.

Alexander Böcker, geboren 1986, studiert seit 2007 Medizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und arbeitet zurzeit an seiner Dissertation.

Anne-Kathrin Bräscher: Nocebo-Mechanismen in der Schmerzwahrnehmung

Der Noceboeffekt (nocebo = „ich werde schaden“) bezeichnet die Zunahme der Schmerzempfindung oder eine übermäßige Schmerzempfindlichkeit nach der Einnahme einer unwirksamen Substanz, z.B. einer Zuckertablette, oder der Anwendung einer unwirksamen Maßnahme. Noceboeffekte treten häufig im klinischen Alltag auf und sind vermutlich an der Entwicklung chronischer Schmerzen beteiligt. Man nimmt an, dass Noceboeffekte aufgrund von negativen Erwartungen entstehen, z.B. wenn ein Patient Misstrauen gegenüber einer Behandlungsmethode hegt. Anne-Kathrin Bräscher beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit einem alternativen Erklärungsansatz. Sie nimmt an, dass ein Noceboeffekt analog zu Ergebnissen beim Placeboeffekt durch negative Erfahrungen erlernbar ist. Die Idee ist, dass ein Schmerzanstieg, z.B. nach einer Tabletteneinnahme, mit einem neutralen Merkmal, z.B. der Form oder Farbe der Tablette, assoziiert wird. Nachdem diese Assoziation gelernt wurde, kann auch eine wirkstofffreie Tablette mit gleicher Form und Farbe (also ein Nocebo) die schmerzsteigernde Wirkung auslösen. In ihren Studien versucht Anne-Kathrin Bräscher nun einen Noceboeffekt, also eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit, durch Pawlowsche Konditionierung zu provozieren. Dabei erfasst sie die Schmerzwahrnehmung auf unterschiedlichen Ebenen: Zum einen beurteilen die Probanden ihre subjektive Schmerzempfindung auf Skalen, zum andern wird die Schmerzwahrnehmung parallel mit einer motorischen Reaktion erfasst. Zusätzlich werden physiologische Reaktionen (Hautleitfähigkeit, Puls, Pulsfrequenzvariabilität) herangezogen, die als unabhängige Maße der erhöhten Schmerzreaktion dienen.

Anne-Kathrin Bräscher, Jahrgang 1985, studierte bis 2009 Psychologie in Mannheim. Zurzeit absolviert sie ein postgraduales Studium an der Graduate School of Economics and Social Sciences und arbeitet am Otto-Selz-Institut der Universität Mannheim an ihrer Dissertation.

Annika Reinersmann: Körperschema und Komplexes Regionales Schmerzsyndrom

Dass Veränderungen im Gehirn eine Rolle beim Komplexen Regionalen Schmerzsyndrom (CRPS I) spielen, ist seit längerem bekannt. Diese Reorganisationsphänomene spielen vermutlich auch bei der Integration der betroffenen Hand in die Repräsentation des Körpers im Gehirn, das Körperschema, eine Rolle. Jedoch sind die Mechanismen der Körperschemastörung beim CRPS weitestgehend unverstanden. Annika Reinersmann will daher das Körperschema von Patienten mit CRPS und mit Schmerzen der Hand aus anderen Gründen untersuchen. Dabei steht das Zusammenspiel visueller und sensorischer Informationen bei der Integration der betroffenen Hand in das Körperschema im Vordergrund. Die Klärung der Frage, ob es für das CRPS spezifische Körperschemastörungen gibt und auf welcher Ebene sich der funktionelle Aufbau beziehungsweise die Integration des Körperschemas befindet, könnte wesentlich zum Verständnis der Pathophysiologie dieses Krankheitsbildes beitragen.

Annika Reinersmann, Jahrgang 1980, studierte Psychologie an der Radboud Universität Nijmegen und arbeitete dann an der Universität Amsterdam. Seit 2008 arbeitet sie in der Abteilung für Schmerztherapie an der BG Universitätsklinik Bergmannsheil in Bochum an ihrer Promotion. Im August 2010 hat sie zusätzlich die Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin begonnen.

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