Erbgut des Brotweizens vollständig kartiert

Weizengenom ist um das Fünffache umfangreicher als das des Menschen

20.08.2018 - Deutschland

Eine dreizehnjährige wissenschaftliche Kraftanstrengung findet ihren Höhepunkt in einer ‚Science‘-Publikation: Über 200 Wissenschaftler aus 73 Forschungseinrichtungen in 20 Ländern haben gemeinsam das Genom des Brotweizen kartiert. Federführend daran beteiligt waren auch Forschende des Helmholtz Zentrums München und des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben. Durch die Erkenntnisse erhoffen sich die Beteiligten neue Perspektiven für die Welternährung.

MichaelGaida, pixabay.com, CC0

Symbolbild

Bei der in ‚Science‘ publizierten Sequenz handelt es sich um das erstmals weitestgehend vollständige Referenzgenom von Weizen – eine gemeinsame Grundlage für alle, die den Weizen verstehen, erforschen oder verbessern wollen.

„Die vollständige Sequenzierung des Genoms von Brotweizen wurde lange Zeit für unmöglich gehalten, da es enorm groß und komplex ist“, verdeutlicht Dr. Nils Stein, Leiter der Arbeitsgruppe Genomik Genetischer Ressourcen am IPK in Gatersleben, die Herausforderung. „Das Fünffache des menschlichen Genoms verteilt sich nochmal auf drei Subgenome und organisiert sich über 21 Chromosomen mit zahlreichen sich wiederholenden Elementen.“

Da auch modernste Technologien die Basenabfolge des Erbguts nicht im Ganzen entschlüsseln können, standen den Forschern immer nur Fragmente des Genoms zur Verfügung. Entsprechend schwierig war es, den korrekten Zusammenbau dieser Teilsequenzen nachzuvollziehen. Hierfür entwickelten die Wissenschaftler spezielle Algorithmen und neue Strategien, um diesen sprichwörtlichen ‚Big Data‘ Herr zu werden.

„Nachdem die finale Sequenz bekannt war, ging es an die Inhalte“, erklärt Dr. Manuel Spannagl, Gruppenleiter in der Abteilung Genomik und Systembiologie pflanzlicher Genome am Helmholtz Zentrum München. „Unsere Aufgabe war es, aus den Milliarden von Basen herauszulesen, welche Gene wo liegen und wie sie organisiert sind: 107.891 Gene konnten wir kartieren. Hinzu kamen mehr als vier Millionen molekulare Marker sowie Sequenzinformationen über die Bereiche dazwischen, die die Aktivität der einzelnen Gene beeinflussen.“

Nun hoffen alle beteiligten Forscher, die sich unter dem Dach des International Wheat Genome Sequencing Consortium (IWGSC) versammelt haben, dass durch ihre Arbeit neue Weizensorten gezüchtet werden können, die besser an klimatische Herausforderungen angepasst sind, höhere und vor allem stabilere Erträge liefern sowie höhere Nährstoffqualitäten aufweisen. Zudem sollen der Anbau und die Verwertung des Weizens nachhaltiger werden. Denn Weizen ist und bleibt eine Schlüsselpflanze für die weltweite Ernährungssicherung: Er stellt das Grundnahrungsmittel von mehr als einem Drittel der Weltbevölkerung dar und macht fast 20 Prozent der Kohlenhydrate und Eiweiße in unserer Nahrung aus – mehr als jedes andere Nahrungsmittel.

Sechs weitere Veröffentlichungen begleiten die Publikation der vollständigen Weizen-Referenzsequenz und unterstreichen deren Nutzen für die wissenschaftliche Gemeinschaft. Seit der Bereitstellung einer ersten Arbeitsversion der heute veröffentlichten vollständigen Sequenz im Januar 2017, wurden über 100 Forschungsarbeiten mit diesen vorläufigen Daten veröffentlicht. Diese Zahl wird ab heute rasant wachsen.

Doch die Arbeit ist nach Aussage der deutschen Wissenschaftler noch nicht getan: Die in der aktuellen Studie vollständig sequenzierte und annotierte Weizensorte ‚Chinese Spring‘, wurde bisher weltweit vor allem in der Grundlagenforschung genutzt. Weitere landwirtschaftlich genutzte Linien, deren Erbgut insgesamt als Pan-Genom bezeichnet wird und die genetische Vielfalt des Brotweizens charakterisiert, werden bereits intensiv bearbeitet.

Originalveröffentlichung

International Wheat Genome Sequencing Consortium; "Shifting the limits in wheat research and breeding using a fully annotated reference genome"; Science; 2018

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Revolutioniert künstliche Intelligenz die Life Sciences?