Vererbungsturbo mit Stockungen

Biologen identifizieren Probleme des Genantriebs mit Gen-Scheren

31.05.2018 - Deutschland

Biologen der Universität Göttingen haben Probleme aufgezeigt, die sich beim so genannten Genantrieb (englisch „Gene Drive“) mithilfe von Gen-Scheren ergeben. Wissenschaftler erhoffen sich, mit der Methode CRISPR/Cas als Gen-Schere zielgerichtete „selbstsüchtige Gene“ schaffen zu können, die sich über eine Art „Vererbungsturbo“ beschleunigt in Insektenpopulationen verbreiten, um diese unschädlich zu machen oder zu reduzieren. Die Göttinger Forscher konnten jedoch zeigen, dass der Einsatz dieser Gen-Schere zur Entstehung und Verbreitung von resistenten Genvarianten führt, die den Gene Drive blockieren.

Die Methode der Gene Drives ist in der Wissenschaft nicht unumstritten: Bei krankheitsübertragenden Mücken könnte man beispielsweise ein „Antimalaria-Gen“ in die Population einschleusen, damit die Mücken die Krankheit nicht mehr übertragen können. Bei Schädlingen ließe sich durch gezielte Mutation von Fruchtbarkeitsgenen ein Kollaps der gesamten Population herbeiführen. Kritiker dieser Methoden befürchten jedoch, dass sich Gene Drives unkontrolliert und unaufhaltsam in der Natur ausbreiten könnten.

Die Göttinger Entwicklungsbiologen testeten im Labor unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen ein selbstsüchtiges Gen, das sich in ein Gen zur Geschlechtsbestimmung einnistet und dieses zerstört – mit der Folge, dass genetisch weibliche Fliegen sich zu Männchen entwickeln, und dem Ziel, dass die Population schließlich zusammenbricht. Zu Beginn der Versuche nahm der Anteil der Männchen auch schnell zu – aber nach 15 Generationen hatte sich das Verhältnis der Geschlechter wieder ausgeglichen.

In der Population entstanden funktionstüchtige Gene Drive-resistente Genvarianten. Dies scheint nach Ansicht der Forscher ein grundsätzliches Problem beim Einsatz von Gen-Scheren zu sein, da die zelleigenen Reparaturmechanismen die geschnittene DNA teilweise ungenau reparieren und die Gen-Schere an diesen Stellen nicht mehr ansetzen kann. „Die Methode erhöht also selbst die Wahrscheinlichkeit von Mutationen und löst dadurch zwangsläufig die Entwicklung von Resistenzen aus“, erläutert der Leiter der Studie, Prof. Dr. Ernst Wimmer. „Der Effekt eines einfachen Gen-Scheren-basierten Gene Drives ist damit nicht nachhaltig.“

Die Forscher interpretieren ihre Ergebnisse zum einen als deutliche Warnung vor zu hohen Erwartungen, zum anderen aber auch als Entwarnung, da das Gefährdungspotenzial offenbar wesentlich geringer ist als befürchtet. Mithilfe von Simulationen konnten sie gemeinsam mit Biostatistikern der Universität von Kalifornien in Berkeley zudem Parameter identifizieren, die es vermutlich ermöglichen, einen vermännlichenden Gene Drive für bestimmte Schadinsekten zur lokalen Populationskontrolle erfolgreich einzusetzen. „Dies sind bislang jedoch rein theoretische Spekulationen, die sich wegen des ungeklärten Gefährdungspotenzials nicht einfach überprüfen lassen“, so Wimmer.

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