Alt und gesund: Forscher finden neue Gene für Langlebigkeit

06.04.2018 - Deutschland

Über die genetischen Grundlagen eines langen Lebens ist wenig bekannt. Und ob die Erkenntnisse, die in kurzlebigen Organismen bereits gewonnen werden konnten, auf langlebige Säugetiere oder gar den Menschen übertragbar sind, ist fraglich. Forschern des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI) ist es nun in einem Kooperationsprojekt gelungen, durch genetische Vergleiche lang- und kurzlebiger Nagetiere neue Gene zu identifizieren, die möglicherweise die Langlebigkeit und das gesunde Altern von Säugetieren beeinflussen.

Menschen sind anderen Säugetieren genetisch sehr ähnlich. Sie teilen je nach Verwandtschaftsgrad zwischen 80 und 98% ihrer genetischen Ausstattung mit uns. Trotzdem gibt es einerseits sehr kurzlebige, andererseits sehr langlebige Säugetiere. Die Frage, wie und wo sich diese Unterschiede genetisch festmachen lassen, ist nach wie vor weitestgehend unbeantwortet. Forscher des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena haben sich deshalb gemeinsam mit Kollegen vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) aus Berlin und der Abteilung für Allgemeine Zoologie an der Universität Duisburg-Essen daran gemacht, die genetischen Daten von 17 verschiedenen Nagetierarten zu vergleichen. Bei dieser Tiergattung sind die Unterschiede in der Lebensdauer und Krankheitsanfälligkeit trotz eines sehr engen Verwandtschaftsgrades besonders gravierend: Kleine Nagetiere wie Mäuse oder Ratten leben nur zwei bis drei Jahre, während Mulle oder Chinchillas zwischen 20 und 30 Jahre alt werden können und dabei weitestgehend gesund bleiben – eine einzigartige Spannbreite, die die Suche nach Langlebigkeits-Genen erst möglich macht.

Im Ergebnis fanden die Forscher 250 Gene, die gehäuft in langlebigen Spezies unter- und in kurzlebigen Spezies überaktiviert waren und so möglicherweise im Rahmen der Evolution positiv für ein langes, gesundes Leben selektioniert worden sind. Darunter sind auch neue Langlebigkeits-Gene wie RHEBL1, AMHR2, PSMG1 oder AGER, die bislang nicht mit Alternsprozessen in Verbindung gebracht wurden, jedoch im Menschen an der Entstehung alternsassoziierter Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer beteiligt sind. Insofern ist das Ergebnis auch für den langlebigen, eher krankheitsanfälligen Menschen von Interesse, denn die langlebigen Nager teilen immerhin etwa 85% ihrer Gene mit uns, altern jedoch vergleichsweise gesund. Die Ergebnisse des Interspezies-Vergleichs wurden jetzt in der Fachzeitschrift PLoS Genetics veröffentlicht.

Die Aufgaben der Langlebigkeits-Gene

Weil die Genome vieler Nagetierarten bereits seit Längerem entschlüsselt sind und auch die Funktionen einzelner Gene weitestgehend bekannt sind, können aus den Ergebnissen des Genvergleichs Rückschlüsse gezogen werden, welche Körperfunktionen sich in langlebigeren Nagern von denen ihrer kurzlebigen Verwandten unterscheiden. So zeigt sich, dass die lange Lebensspanne in Mullen oder Chinchillas mit einem veränderten Umgang mit den chemischen Wirkmolekülen der „freien Radikale“ sowie Veränderungen des Gewebeerhalts, der Zellatmung und der Proteinherstellung verbunden sind – alles wichtige Bestandteile für das Wachstum eines Organismus. Hier scheint sich ein bereits bekannter Zielkonflikt zwischen schnellem Wachstum oder einer langen Lebensspanne zu bestätigen: Die Gene, die ein Tier schnell wachsen lassen, tragen später zu einem beschleunigten Altern und einer kurzen Lebensspanne bei, weil sie nicht mehr vollständig deaktiviert werden können und dem Organismus dadurch schaden. In langlebigen Lebewesen bleiben diese Gene in der Wachstumsphase hingegen eher unteraktiviert; die Organismen wachsen langsamer, werden dafür aber älter.

Weiterer Forschungsbedarf

Es gibt sehr verschiedene Gründe, warum im Laufe einer milliardenlangen Evolution das Genom dem Zwang unterworfen ist, sich zu verändern und an Umweltbedingungen anzupassen. Die Identifikation der Langlebigkeits-Gene ist deshalb nur ein erster Schritt zur Ableitung hypothetischer Zusammenhänge, die in Folgestudien weiter geprüft werden müssen. Gerade die neu identifizierten Gene aber werden auch im Menschen mit der Entstehung altersbedingter Krankheiten in Verbindung gebracht. Eine weitere Analyse ihres genauen Einflusses im Hinblick auf ein langes, gesundes Leben kann damit in der Zukunft neue Ansatzpunkte zur Vermeidung oder Therapie von Alternskrankheiten liefern.

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