Boehringer-Chef rügt Vorgehen von Pharmabranche gegen Sparpaket

15.05.2002
Ingelheim (dpa) - Der Chef des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, Rolf Krebs, hat das Vorgehen von Teilen der eigenen Branche gegen das Arzneimittel-Sparpaket der Bundesregierung kritisiert. «Ich halte das für kurzsichtig», sagte Krebs am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Mainz. «Man kann nicht mit Praktiken operieren, die das gegenwärtige System aushebeln.» Wenn sie Erfolg hätten, werde es neue Sparmaßnahmen geben. «Verlorene Positionen sollte man nicht vertreten», sagte Krebs, der auch Präsident des Welt-Pharmaverbandes Ifpma ist. Gleichzeitig warf der Sprecher der Boehringer Ingelheim- Unternehmensleitung der Bundesregierung vor, sie wolle keine substanziellen Veränderungen im Gesundheitswesen erreichen. «Jedes Mal, wenn wir eine so genannte Reform erlebt haben - und wir haben ja schon neun oder zehn hinter uns gebracht - war das nichts anderes, als die Preise zu senken.» Das reiche jedoch nicht aus, denn es gehe vor allem um die künftigen Standards der Versorgung. «Die notwendigen strukturellen Veränderungen würden alle treffen, auch die pharmazeutische Industrie. Wir sind dazu bereit.» Krebs plädiert dafür, die Reglementierung der Medikamentenpreise aufzugeben. Neue, bessere Präparate müssten teurer werden, dagegen sollten die künstlich hoch gehaltenen Preise für ältere Medikamente ohne Patentschutz sinken. «Wir hätten mehr finanziellen Spielraum, wenn wir der Qualität Vorrang geben würden», meinte Krebs. Hintergrund der Diskussion ist der starke Anstieg der Ausgaben für Medikamente. Die Krankenkassen mussten 2001 erstmals mehr für Arzneimittel aufwenden als für die ärztliche Behandlung. In den ersten drei Monaten 2002 stiegen die Ausgaben im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode nochmals um vier Prozent. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat deshalb Sparmaßnahmen eingeleitet. Unter anderem sollen Ärzte nur noch Wirkstoffe verschreiben, die Apotheken suchen dann ein günstiges Präparat heraus. Ein Teil der Pharmabranche will dies angeblich umgehen. Nach Presseberichten erwägen einige Unternehmen, neue Packungsgrößen zu schaffen. Diese würden nicht mehr als vergleichbar gelten und könnten nicht ausgetauscht werden. Ein anderer Weg zur Umgehung sei, besonders teure Dubletten auf den Markt zu bringen und so das «untere Preisdrittel» künstlich nach oben zu schrauben. Ministerin Schmidt hat der Pharmaindustrie bereits Anfang April angedroht, dagegen alle rechtlichen Möglichkeiten zu ergreifen.br

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