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Schlangengift



Schlangengifte (Schlangentoxine) sind die physiologisch wirksamen Bestandteile des Giftapparates der Giftschlangen. Sie dienen hauptsächlich der Beutejagd und der Verdauung. Seltener setzen diese weit entwickelten Reptilien ihr Gift zur Verteidigung gegen Angreifer ein.

Jährlich werden etwa 5 Millionen Menschen von Schlangen gebissen und rund 125.000 von ihnen sterben daran. 70 Prozent der Schlangenbisse bei Menschen erfolgen in Knöchelhöhe oder tiefer.

Inhaltsverzeichnis

Wirkung

Die Gifte der verschiedenen Schlangen bzw. ihre Komponenten lassen sich nach ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrem Ansatzpunkt bzw. ihrer Wirkung im Organismus in verschiedene Gruppen einteilen: (der kursiv geschriebene Text beschreibt direkte Symptome beim Menschen)

  1. Entzündungserscheinungen
  2. Zytotoxisch: Schädigung von Zellen und Gewebe
  3. neurotoxisch: Wirkung auf das Nervensystem
  4. Hämotoxisch, Wirkung auf die Blutgerinnung (Thrombocyten)
  5. Giftallergie

Diese Erscheinungen werden oft (aber nicht unbedingt) von allgemeinen Symptomen wie Fieber, Übelkeit, Kopfschmerzen, Erbrechen und Ähnlichem begleitet.

Zusammensetzung

Enzymklasse Enzym Vorkommen
Oxidoreduktasen Lactatdehydrogenase Elapidae
L-Aminosäureoxidase alle
Hydrolasen Phosphodiesterase alle
Acetylcholinesterase Elapidae
Ribonuclease 1 alle
Heparinase Crotalinae
Transferasen Alanin-Amino-Transferase
Lyasen Glucosamin-Amoniumlyase

Chemisch gesehen bestehen Schlangengifte zu über 90 % aus Proteinen und Polypeptiden und daneben noch einigen Enzymen. Die toxischen Proteine (Toxine) sind meist sehr groß und komplex. Weiterhin sind zahlreiche ungiftige, z.T. anderweitig biologisch aktive Stoffe - vor allem Proteine und Peptide - darin enthalten.

Die Wirkung des Giftes auf den Organismus wird nicht nur durch eine einzige, sondern oft durch viele Komponenten gebildet. Dabei ist nicht nur die Zusammensetzung der Anteile, sondern auch deren Verhältnis zueinander entscheidend. In vielen Fällen finden sich mehrere Komponenten mit verschiedener Wirkung (hämotoxisch, neurotoxisch etc.) kombiniert in einem Gift um den Organismus auf verschiedenen Wegen lahm zu legen.

Nebenstehend finden sich einige Beispiele der im Schlangengift enthaltenen Enzyme.

Giftigkeit

Die Wirkung von Giften wird allgemein anhand des so genannten LD50-Wertes beurteilt. Die giftigsten Schlangen der Welt sind allesamt in Australien heimisch. Zu ihnen zählen insbesondere die an der Küste Australiens beheimateten Seeschlangen. Als giftigste aller Schlangen gilt allgemein der ebenfalls in Australien vorkommende Inlandtaipan mit einem LD50-Wert von 0,025 mg/kg (je niedriger, desto stärker das Gift). Dies ist jedoch umstritten und kann möglicherweise nicht genau festgestellt werden.

Die unterschiedlichen Bewertungen sind wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die LD50-Werte von Test zu Test schwanken. Dies kommt zustande, da die Werte von Tier zu Tier unterschiedlich und Messungen aufgrund physikalischer Prinzipien grundsätzlich immer fehlerbehaftet sind. Dennoch bestätigen die meisten Tests die im Artikel "Giftschlangen" aufgeführte Reihenfolge.

Hinzu kommt, dass die konkrete Wirkung eines Giftes auf einen gebissenen Menschen oder ein Tier, aufgrund derer die Beurteilung der Giftigkeit einer Schlange ebenfalls häufig vorgenommen wird, nicht unbedingt mit dem durch die LD50-Messung gewonnenen klinischen Wert des Schlangengiftes übereinstimmt. Im Gegensatz zum LD50-Wert spielen hier aktuelle Toxizität der Schlange, Bisstiefe, Menge des inkorporierten Giftes, Stelle der Bisswunde, Reaktion des gebissenen Organismus usw. eine erhebliche Rolle.

Deutschland

In Deutschland kommen in freier Natur nur diese Giftschlangen vor: Aspisviper (bis zu 1 m lang) und Kreuzotter (ebenfalls bis zu 1 m lang). Das Gift der Kreuzotter ist zwar relativ stark, jedoch besitzt sie davon nur bis maximal 18 mg. Daher ist ein Biss für einen gesunden Erwachsenen in kaum einem Fall tödlich (dafür müsste er Bisse von mehreren Schlangen auf einmal erleiden, was extrem unwahrscheinlich ist); bei Kindern, die weniger als rund 30 kg schwer sind, oder älteren Menschen ist allerdings höchste Vorsicht geboten. Nach einem Biss sollte in jedem Fall sofort ein Arzt aufgesucht werden, da es häufig auch zu Infektionen durch im Maul der Schlangen lebende Bakterien kommt.

Schweiz

Der letzte Todesfall durch einen Giftschlangenbiss datiert in der Schweiz von 1961. Seither ereignete sich nie mehr eine tödliche Bisswunde entweder durch Kreuzotter oder Aspisviper.[1]

Schlangengift in der Medizin

Wie viele andere Gifte kann Schlangengift in geringer Dosierung für medizinische Zwecke eingesetzt werden. Neben der direkten Anwendung als Arzneimittel kann es der Suche nach neuen Medikamenten beitragen. So kann es helfen physiologische Vorgänge aufzuklären und besser zu verstehen und neue Wirkstoffe zu finden. So dienten Schlangengifte als Vorlage für einige blutdrucksenkende Arzneimittel aus der Gruppe der ACE-Hemmer (Captopril, Enalapril). In folgenden Bereichen der Therapie werden Schlangengifte verwendet:

  • bei arterieller Hypertonie (Bluthochdruck), erblich bedingten und erworbenen Störungen des Gerinnungssystems und zur Herstellung von Antidota (Gegengifte)
  • in der Homöopathie zur Behandlung von Schmerzzuständen
  • Einige von Hämatologen angewendete Blutgerinnungstests basieren auf Schlangengiften.

Seine Gewinnung erfolgt in Schlangenfarmen durch "Melken" der Giftdrüsen. Dafür werden die Zähne durch eine Membran über einem Behälter gesteckt und die Giftdrüsen massiert. Das ablaufende Gift wird tiefgefroren, gefriergetrocknet und zu Granulat vermahlen.

Historisch gesehen waren Giftschlangen auch in Europa ein wichtiger Bestandteil der Medizin. So wurden verschiedene Zubereitungsformen aus oder mit Giftschlangen gegen allerlei Krankheiten und zum Erlangen zukünftiger Schönheit, Vitalität, Potenz und dergleichen eingesetzt. Neben dem Verzehr des Fleisches war das Trinken alkoholischer Schlangenextrakte und des Schlangenblutes verbreitet. Zum Schaden dieser Lebewesen haben einige dieser, aus moderner Sicht völlig unhaltbarer, Mythen überlebt. Vor allem in der traditionellen asiatischen Medizin werden solche, wissenschaftlich nicht belegbaren, Verfahren zum Schaden zahlreicher Arten bis heute praktiziert, auch wenn dies in den jeweiligen Ländern teilweise ungesetzlich ist.

Siehe auch

Quellen

  1. Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung, Davos: Sicherheit, Medizin, Rettungswesen: Giftschlangen in den Schweizer Alpen, Die Alpen, 8/1999, S. 25-29

Literatur

  • Roland Bauchot (Hrsg.): Schlangen, Weltbild Verlag, 1994, ISBN 3-8289-1501-9
  • Waldemar Diesing: Schlangen-Reintoxine und ihre Bedeutung für die Heilkunde, Georgensgmünd, Horvi-Chemie, 3. Aufl., 1993
  • Otto Leeser: Lehrbuch der Homöopathie, Bd. 5, Tierstoffe, Ulm 1961


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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Schlangengift aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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