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Genetischer Fingerabdruck



 

Als genetischer Fingerabdruck wird ein DNA-Profil eines Individuums bezeichnet, das für dieses in hohem Maße charakteristisch ist. Die DNA wird aus Zellen gewonnen, die aus Gewebeteilen, z.B. Sperma, Hautzellen oder Speichel stammen. Das Verfahren wird in der Molekularbiologie auch als Fingerprinting bezeichnet. Entwickelt wurde es 1985 von Alec Jeffreys, in Deutschland wurde es erstmals 1988 als Beweis in einem Strafprozess vom Gericht anerkannt.

Inhaltsverzeichnis

Methoden

Für den genetischen Fingerabdruck werden derzeit zwischen acht und 15 Abschnitte aus der DNA mit Hilfe der PCR-Methode vervielfältigt. Untersucht werden nicht die Gene an sich - also nicht die verhältnismäßig wenigen Abschnitte der menschlichen DNA (1 bis 2 Prozent), die Proteine kodieren und schließlich den Phänotyp bestimmen - sondern kleine, sich wiederholende Abschnitte im Erbgut, die Minisatelliten, die VNTRs (variable number tandem repeats) oder STRs (short tandem repeats). Bei diesen DNA-Abschnitten handelt es sich um tandemartige Wiederholungen einer bestimmten Sequenz (Repeats), die im Genom aller Säugetiere vorkommen. Variabel ist dabei die Anzahl der Wiederholungen. Diese Anzahl wird bei dem genetischen Fingerabdruck untersucht. Je nach Anzahl der Wiederholungen hat der vervielfältigte Abschnitt also eine bestimmte Länge, die sich z. B. über eine Gel-Elektrophorese im Agarosegel als einzelne Bande darstellen lässt. Ist ein Mensch an einem Genort heterozygot (besitzt also beispielsweise ein Allel mit zehn Wiederholungen und eines mit 15), so entstehen zwei Banden unterschiedlicher Länge. Es handelt sich hierbei also nicht um eine Sequenzierung, sondern um eine reine Fragmentlängen-Analyse (ähnlich wie RFLP).

Bei den VNTRs ist der repetitive Anteil länger (10-150 Basenpaare) als bei den STR (2-7 Basenpaare).

Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Individuen an einem VNTR bzw. einem STR-Locus eine unterschiedliche Anzahl von Wiederholungen haben, ist sehr hoch. Wenn mehrere dieser Regionen untersucht werden, ergibt sich somit ein Bandenprofil, das mit einer bestimmten Häufigkeit in der Gesamtpopulation vertreten ist. Hierüber kann dann eine statistische Aussage getroffen werden, wie viele Menschen untersucht werden müssen, um zufällig einen zu treffen, der genau dieses Muster aufweist. Bei den oben genannten acht bis 15 untersuchten VNTR-Systemen liegt diese Zahl häufig in einem Bereich von mehreren Milliarden. Die gewonnenen Informationen werden in ein mathematisches Modell umgewandelt, das sich digital verarbeiten und somit automatisiert vergleichen lässt. Das mathematische Modell ist ein reiner aggregierter Zahlencode.

Im Gegensatz zu anderen DNA-Analysen, bei denen mittels Sequenzierungen Gene aus den codierenden Bereichen der DNA untersucht werden, die durchaus Rückschlüsse z. B. auf eventuelle Krankheiten des Individuums zulassen, lassen sich aus dem Zahlencode der Fragmentlängen-Analyse keine Eigenschaften des Individuums ableiten. Über einen zusätzlichen Locus wird allerdings das Geschlecht bestimmt. Bestimmte Abweichungen in der Anzahl der Chromosomen wie die dem Down-Syndrom zugrundeliegende werden ebenfalls offenbart.

Eine weitere Methode ist die RFLP: Hier wird die DNA mit Hilfe von Restriktionsenzymen geschnitten. Diese Restriktionsenzyme erkennen spezifische Abschnitte in der DNA. Je nachdem wie oft ein solcher Abschnitt in einem Chromosom vorhanden ist ergeben sich unterschiedlich viele und unterschiedlich lange DNA-Fragmante. Diese können anschließend wiederum durch Gelektrophorese etc. sichtbar gemacht werden.

Rechtslage in Deutschland

Allgemein

Ein genetischer Fingerabdruck darf in Deutschland nur auf richterlichen Beschluss hin genommen werden. Hierbei sind zwei unterschiedliche Ansätze möglich:

  • Die Untersuchung von Spurenmaterial und Körperzellen des Beschuldigten im Rahmen der Untersuchungen einer konkreten Straftat (§§ 81a, 81e StPO).
  • Die DNA-Analyse zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren (§ 81g StPO).

Letztere Untersuchung darf der Richter nur dann anordnen, wenn die Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des StGB gegeben ist, bei deren Wiederholung ein genetischer Fingerabdruck zur Ermittlung des Täters hilfreich sein kann (Grundsätzlich ist die richterliche Anordnung auch bei Volksverhetzung oder Betrug möglich). Die Untersuchung erfolgt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten auch künftig Strafverfahren zu führen sein werden. Bei Ersttätern wird daher oft von einem genetischen Fingerabdruck abgesehen. Die Zellen für den genetischen Fingerabdruck dürfen nach Anordnung der Untersuchung durch einen Arzt (§ 81a Absatz 1 Satz 2 StPO) entnommen werden. In einigen Bundesländern ist es der Polizei erlaubt, zur freiwilligen Abgabe eines genetischen Fingerabdrucks aufzufordern (z. B. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg). In anderen Bundesländern ist auch dazu eine richterliche Erlaubnis nötig.

Im polizeilichen Bereich werden (üblicherweise staatliche) Laboratorien damit beauftragt, aus DNA-Proben die für die Identifizierung wichtigen Teile herauszufiltern und der polizeilichen DNA-Datenbank des BKA zur Verfügung zu stellen, die dann unbekannte DNA-Profile (etwa von Tatortspuren oder unbekannten Leichen) mit gespeicherten DNA-Profilen von bekannten Personen vergleicht. Die bekannten Profile stammen von Straftätern, bei denen man durch Mundhöhlenabstrich (freiwillig) oder Hautabrieb (wenn die Person ein Eindringen in eine Körperöffnung verweigert) eine biologische Probe abgenommen hat. In Deutschland erhalten die beauftragten Laboratorien aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Personendaten, Proben (Spuren) erhalten lediglich eine eindeutige Kennzeichnung. Durch diese Trennung ist es nur der Polizeibehörde möglich, einen kausalen Zusammenhang zwischen Untersuchungsergebnissen und Personen herzustellen.

Rechtlicher Vergleich zwischen klassischem und genetischem Fingerabdruck

Voraussetzung für die Abnahme des daktylischen Fingerabdrucks und des genetischen Fingerabdrucks ist die Begehung einer Straftat nach dem StGB.

  • Die Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks kann nur bei schweren Straftaten durch richterlichen Beschluss erlaubt werden (§ 81g Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 81f Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung).
  • Der daktylische Fingerabdruck wird durch einen Polizisten genommen, wenn dieser der Ansicht ist, dass es sich um eine Straftat, also einen Verstoß gegen das Recht handelt, bei dem angenommen wird, dass die Wahrscheinlichkeit der Tatwiederholung höher ist als die, dass eine nicht überführte Person diese Straftat begeht.

Rechtliche Gleichsetzung des genetischen mit dem klassischen Fingerabdruck

Im Zusammenhang mit der Ermordung des Modemachers Rudolph Moshammer wurde in Deutschland eine Ausweitung der Anwendungsmöglichkeiten des genetischen Fingerabdrucks diskutiert. Ein Gesetzantrag mehrerer Bundesländer, der am 18. Februar 2005 in den Bundesrat eingebracht worden war, sah unter anderem die Aufhebung des Richtervorbehalts und die Ausweitung des Straftatenkatalogs vor.

Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen sprachen sich gegen die Gesetzesänderung aus. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hält die von den Bundesländern angestrebte Gleichsetzung von klassischem und genetischem Fingerabdruck für bedenklich.

Interpretation

Das Ergebnis eines DNA-Tests, eines Fingerabdrucks oder einer sonstigen Spur alleine kann nicht über Schuld oder Nichtschuld eines Verdächtigen entscheiden. Es wird nur als Indiz gewertet, das durch weitere ergänzt werden muss. Viele Verdächtige legen allerdings ein Geständnis ab, wenn man sie mit dem Ergebnis konfrontiert. Ist das nicht der Fall, muss das Ergebnis interpretiert werden, wobei Fehlschlüsse nicht auszuschließen sind.

Fehler

Als falsch-positives Ergebnis wurde unter anderem auch der Fall eines 28-jährigen Arbeiters bekannt, der ein halbes Jahr unschuldig wegen Mordes in Haft saß. Das Berliner Humboldt-Institut hatte bei der Analyse die Proben verunreinigt; der Staatsanwalt entschuldigte sich schriftlich. Der Psychologe Jonathan Koehler schätzt den Anteil der falsch-positiven Ergebnisse, die in einem DNA-Labor vorkommen in der Größenordnung von 1:100 (Schlamperei, irreführende DNA-Muster, falsche Bezeichnungen der Proben). Die Schlussfolgerungskette wird durch falsch-positiv-Fehler schon unter Punkt 1 durchbrochen und der Rest der Kette wird ungültig. Regelmäßig sind strafprozessuale Maßnahmen aufgrund eines DNA Treffers nur nach genauer Prüfung erlaubt. Die Verifizierung der ersten Probe durch eine zweite ist vorgeschrieben.

Des Weiteren kann nach Berichten des Fachmagazins New Scientist auch durch Knochenmarksspenden der genetische Fingerabdruck verfälscht werden, da der Empfänger einer Spende auch Zellen mit dem genetischen Fingerabdrucks des Spenders besitzt.

Eineiige Zwillinge haben grundsätzlich den exakt gleichen genetischen Code. Bei einem "positiven" Ergebnis kann deshalb die Tatortspur durchaus auch vom nicht getesteten Zwilling stammen.

Siehe auch

Literatur

  • J. J. Koehler und A. Chia, J. S. Lindsey: The Random Match Probability (RMP) in DNA Evidence. Irrelevant and Prejudicial? In: Jurimetrics Journal. 35/1995, S. 201-219
  • Gerd Gigerenzer: Das Einmaleins der Skepsis. Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. 2002, ISBN 3827000793
  • Peter Fluck: Anwendung und Auslegung der DNA-Identifizierung. In: NJW. 2001, 2292
  • Meine Moleküle.Deine Moleküle - Von der molekularen Individualität (Online-Buch) Berlin 2007
Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Genetischer_Fingerabdruck aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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