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Aminozucker



  Aminozucker sind Einfachzucker (Monosaccharide), bei denen eine oder mehrere Hydroxylgruppen (–OH) durch eine Aminogruppe (–NH2) ersetzt wurden. Freie Aminozucker sind stark basisch und kommen in der Natur nicht vor; die Monosaccharide sind immer Bestandteile von Glykosiden und polymeren Stoffen. Als Bausteine verschiedenster, häufig essentieller Biomoleküle sind sie für viele zentrale chemische Vorgänge und molekulare Strukturen in der Natur grundlegend.

Ist der Stickstoff an das Kohlenstoffatom des anomeren Zentrums eines Monosaccharids gebunden, so heißt der betreffende Aminozucker Glycosylamin, andernfalls wird er Aminodesoxyzucker genannt.[1]

Entdeckt wurde diese Stoffgruppe 1875 von dem jungen Mediziner Georg Ledderhose, als er Scheren und Panzer eines jüngst verzehrten Hummers in Salzsäure einkochte und daraufhin glitzernde Kristalle (D-Glucosamin-Hydrochlorid) entdeckte. Im Jahr darauf folgte die Erstbeschreibung, 1903 die erste Synthese (durch Fischer und Leuchs), 1914 wurde D-Galactosamin entdeckt (von Levene und La Forge). Der Nachweis von Aminozuckern im Influenzavirus erfolgte 1947 (durch C. A. Knight).[2]

Inhaltsverzeichnis

Funktion und Bedeutung

In der Natur

  Aminozucker sind in verschiedensten Organismen als Bestandteil ihrer Zellstruktur von Bedeutung: so festigen sie etwa bei Bakterien mit Murein die Zellwand, fungieren bei Gliedertieren und Pilzen als Baustein des Chitins und stellen bei vielen höheren Lebewesen die Gruppe der Glykosaminoglykane, welche als Faserstoffe, Bestandteile von Zellmembranen und der Grundsubstanz der extrazellulären Matrix, zudem auch in Blut und Frauenmilch[3] vorhanden sind.[4] Allgemein gelten 2-Desoxy-2-Amino-Aldosen wie D-Glucosamin oder D-Galactosamin als die wichtigsten Aminozucker.[3] Doch auch bei Nukleotiden, den codierenden Grundbausteinen der DNA, handelt es sich um substituierte Glycosylamine.[1]

Aufgrund ihrer Aminogruppen stellen Aminozucker außerdem einen relevanten Faktor für den Stickstoffgehalt von Böden dar: schätzungsweise 5–10 % des Bodenstickstoffs gehen auf sie zurück, davon entstammt der Großteil abgestorbenen Mikroorganismen, wogegen Pflanzen Aminozucker nicht in signifikanten Mengen produzieren.[5] Bei intensiv bewirtschafteten Böden fällt der Aminozuckeranteil deutlich ab, da die bakterielle Synthese als Folge der industriellen Landnutzung deutlich abnimmt; zudem treten zwischen unterschiedlich stark kultivierten Böden Differenzen innerhalb des Anteils bestimmter Aminozucker (zwischen denen bakteriellen Ursprungs, deren Konzentration infolge Ackernutzung stärker absinkt, und jenen dem Chitin entstammenden) auf, wodurch sich die Relation zwischen den beiden Gruppen als Indikator für Landnutzungseinflüsse anwenden lässt.[6]

Verwendung

  Eine Reihe von glykosidisch gebundenen Aminozuckern sind charakteristisch für Aminoglykoside, welche als Antibiotika so auf die Proteinbiosynthese von Bakterien einwirken, dass anschließend Proteine unsinniger Zusammensetzung gebildet werden. Zudem werden Sialinsäureanaloga als Neuraminidase-Hemmer zur Bekämpfung von Viruserkrankungen wie Influenza eingesetzt, doch sind diese selbst keine Zucker. Weiters wird der physiologisch in den Mastzellen gebildete Kofaktor des gerinnungshemmenden Antithrombin III, Heparin, als Antikoagulans eingesetzt.[8]

Mit der Amadori-Umlagerung lassen sich aus Aldose-N-Glucosiden korrespondierende Ketose-N-Glucoside gewinnen, welche wichtige Zwischenprodukte in der Herstellung von Osazonen, Osonen, Chinoxalinen und den Vitaminen Riboflavin (B2) und Folsäure (B9) sind.[9]

Da Aminozucker eine besonders starke magnetische Kopplung zeigen, wurde ferner vorgeschlagen, sie – anstelle der bisher verwendeten Proteine – als Koordinationspartner für die Metallzentren synthetischer Katalysatoren einzusetzen.[10]

Chemie

Freie Aminozucker reagieren stark basisch, weshalb sie in lebenden Organismen acetyliert werden. Natürlicherweise sind vor allem Aminozucker aus Hexosen verbreitet, zu denen Mannose, Glucose (Traubenzucker) und Galactose zählen. Da die Hydroxylgruppe des C2-Atom bevorzugt ersetzt wird, entstehen vielfach 2-Amino-Hexosen: So bildet sich etwa aus Glucose Glucosamin, aus Mannose Mannosamin und aus der Galactose ein Galactosamin.[11]

Biosynthese

Die Biosynthese der Aminozucker verläuft über eine Transaminierung, wobei die Aminogruppe aus der Aminosäure Glutamin stammt. Fructose-6-phosphat wird beispielsweise durch das Enzym Hexosephosphat-Transaminase zu D-Glucosamin-6-phosphat aminiert. Das gebildete Glucosaminphosphat kann mit Hilfe einer Transacetylase in das N-Acetylderivat überführt werden. Nach Umwandlung zum 1-Phosphat wird dieses durch Reaktion mit UTP aktiviert und danach in verschiedenste Polymerverbindungen eingebaut.[12]

Darstellung

Es gibt verschiedene Wege, Aminozucker herzustellen. Eine Methode ist eine Ringschlussreaktion vom Aldol-Typ zwischen Dialdehyden und Nitroalkanen. So kann etwa Saccharose zuerst mit Blei(IV)-acetat und Essigsäure am Ring der Fructofuranose-Untereinheit oxidativ gespalten, jener anschließend wieder über Reaktion mit Nitromethan unter Präsenz von Natriummethanolat und Methanol geschlossen und anschließend die Nitrogruppe zur Aminogruppe reduziert werden.[13]

 

Ein jüngerer Syntheseweg für Aminodesoxyzucker ist die von 1-Hydroxy-1,2-benziodoxol-3(1H)-on-1-oxid („IBX“) vermittelte Darstellung aus Glycalen.[14]

Literatur

  • Debenham et al.: Recent Advances in N-Protection for Amino Sugar Synthesis. In: Liebigs Annalen, Jahrgang 1997, Ausgabe 5, Ss. 791–802.
  • Suzuki et al.: Rapid analysis of amino sugars by microchip electrophoresis with laser-induced fluorescence detection. In: Electrophoresis, Jahrgang 22, Ausgabe 18, Ss. 4023–4031.

Einzelnachweise

  1. a b Peter, Vollhardt: Organische Chemie. S. 1102. Wiley-VCH, Weinheim, 1990. ISBN 3-527-26912-6.
  2. Kuhn et al.: Aminozucker. In: Angewandte Chemie, Jahrgang 69 (1957), Ausgaben 1–2, Ss. 23–33, insb. S. 26.
  3. a b Ternes, Täufel, Tunger, Zobel: Lexikon der Lebensmittel und der Lebensmittelchemie. Ss. 74–79. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2007. ISBN 978-3-8047-2275-0.
  4. Falbe, Regitz (Hrsg.): Römpp Chemie Lexikon (CD-Ausgabe, Version 1.0): Artikel Aminozucker. Thieme, Stuttgart/New York, 1995.
  5. Roberts et al.: Free amino sugar reactions in soil in relation to soil carbon and nitrogen cycling. In: Soil Biology and Biochemistry, 39 (2007), Ss. 3081–3092.
  6. Zhang et al.: Amino sugars in soils of the North American cultivated prairie. In: Zeitschrift für Pflanzenernährung und Bodenkunde, Jahrgang 160 (1997), Ausgabe 5, Ss. 533–538.
  7. Bruice: Organische Chemie. S. 1150. Pearson Studium, München, 2007. ISBN 978-3-8273-7190-4.
  8. Lüllmann, Mohr, Hein: Taschenatlas Pharmakologie. Ss. 280–281,290,150. Thieme, Stuttgart, 2004. ISBN 3137077052.
  9. Falbe, Regitz (Hrsg.): Römpp Chemie Lexikon (CD-Ausgabe, Version 1.0): Artikel Amadori-Umlagerung. Thieme, Stuttgart/New York, 1995.
  10. Wegner et al.: Neue Bausteine zum Design von Mehrkern-Kupferkomplexen auf der Basis von Aminokohlenhydraten. In: Angewandte Chemie, Jahrgang 112 (2000), Ausgabe 3, Ss. 608–612.
  11. Wissenschaft-Online-Lexikon: Eintrag zu Aminozucker im Lexikon der Chemie
  12. Löffler, Petrides, Heinrich: Biochemie und Pathobiochemie. Ss. 544–545. Springer, Heidelberg, 2007. ISBN 3-540-32680-4.
  13. Shing: Glycol Cleavage Reactions. In: Trost, Fleming (Hrsg.): Comprehensive organic synthesis: selectivity, strategy and efficiency in modern organic chemistry. S. 712, Band 7. Pergamon Press, 1991. ISBN 0-08-035929-9.
  14. Nicolaou et al.: Novel IBX-Mediated Processes for the Synthesis of Amino Sugars and Libraries Thereof. In: Angewandte Chemie, Jahrgang 112 (2000), Ausgabe 14, Ss. 2625–2629.
 
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